"Es ist längst an der Zeit Schulen in sozialen Brennpunkten zu unterstützen"

20. Okt 2013

Ein Viertel der öffentlichen Berliner Schulen wird vom angekündigten Programm zur Unterstützung von belasteten Schulen profitieren. Bares Geld, 50.000 bis 100.000 Euro pro Einrichtung, über das sich Inge Hirschmann sehr freut. Die Vorsitzende des Grundschulverbandes über Lernen im "Brennpunkt", Chancengerechtigkeit, Armutsrisiken und die Rolle der Eltern. Ihr Appell: Das Ziel der Inklusion darf nicht aufgegeben oder verschoben werden. Und die Ausstattung der Berliner Schulen muss grundsätzlich besser werden.

von Inge Hirschmann

Schulen in sozialen Brennpunkten auf dem Weg zur Inklusion?

Ich bin Schulleiterin einer Schule in einer herausfordernder Nachbarschaft oder einfacher gesagt: Viele unserer Kinder sind von Armut und sozialer Benachteiligung betroffen. Ihr Risiko ist groß, dass sie – wie vielfach ihre Eltern – auch wieder unter prekären Lebensverhältnissen als Erwachsene leben werden. Auch prekäre Lebensverhältnisse scheinen vererbbar. Der Teufelskreis von Armut und mangelnder Bildung ist schwer zu durchbrechen, es sei denn, der Schule gelingt es die soziale Benachteiligung, mit der viele Kinder schon in die Schule kommen, abzumildern oder möglichst zu kompensieren, so dass kein Kind verloren geht. In der inklusiven Schule soll zukünftig Ausgrenzung verhindert werden, keine leichte Aufgabe auch für eine Grundschule, die sich seit mehr als zwei Jahrzehnten das uneingeschränkte gemeinsame Lernen, also den Grundgedanken einer inklusiven Schule, ins Schulprogramm geschrieben hat.

Vor wenigen Tagen las ich im Tagesspiegel „Eine Adresse gibt viel preis über den Menschen. Sie lässt Rückschlüsse zu auf Wohlstand oder auf Armut.“ Die Autorin der Seite stellt zwei Fragen über ihren Text: „Ist die Berliner Mischung in Gefahr, wird Berlin zum Austragungsort sozialer Ausgrenzung? Wird gute Bildung zum elitären Auswahlkriterium oder wird Bildung für alle Schichten zur Grundlage eines neuen Wohlstandes in der Stadt?“ Berechtigte Fragen.

So wie mit den Wohnadressen ist es wohl auch mit den Standorten der öffentlichen Schulen. Liegen sie in den hoch belasteten Bezirken der Stadt, so gibt dieser Standort viel preis über die besonderen Herausforderungen, denen sich ihre Schülerschaft stellen muss. Man braucht nicht viel Phantasie um zu wissen, dass die Pädagog(inn)en an diesen Schulen vor vielfältigen, oft armutsbedingten Herausforderungen stehen.

Berlin hat aufgrund seiner immer noch im Bundesdurchschnitt sehr hohen Arbeitslosigkeit ein sichtbares Armutsproblem. Der Bezirk, in dem meine Schule liegt, hat eine Arbeitslosenquote - bezogen auf die zivilen Erwerbspersonen - von 13%. Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg (Stand 2010) liefert uns in derselben Ausgabe des Tagesspiegel noch eine Tabelle zur Armutsgefährdung in Berlin: 18,1 Prozent der unter 18jährigen haben in Berlin ein Armutsrisiko. Für meine Schule kenne ich die genauen Zahlen nicht, aber wenn wir allein die Anzahl der Kinder zugrunde legen, die von der Lernmittelzuzahlung befreit sind, wissen wir ja schon, dass insgesamt weit mehr als 60% ein ausgeprägtes Armutsrisiko tragen.

Ein Mut-Programm – bis zu „100.000 Euro pro Schule“

Im April überraschte uns unsere Senatorin Sandra Scheeres mit einem Programm zur Unterstützung von besonders belasteten Schulen. Die Senatorin und der SPD-Fraktionschef Raed Saleh kündigten einen neuen „Struktur- und Leistungsbonus“ an, 207 Schulen sollten davon profitieren. Es sollte sich dabei nicht um „Reparaturmittel“ für gescheiterte Schule handeln, sondern es sollten zusätzliche Unterstützungsmittel in Schulen in „schwierigen Sozialstrukturen“ einfließen. Für gescheiterte Schulen hatte die Senatsverwaltung in Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung bereits das Programm „School Turnaround - Berliner Schulen starten durch“ ins Leben gerufen. An diesen Schulen nehmen – siehe Projektbeschreibung - „zehn Berliner Schulen (drei Grundschulen und sieben integrierte Sekundarschulen) teil, die angesichts der großen Herausforderung in sozialen Brennpunkten an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit gelangt sind.“

Nach der Überraschung, dass für jede der Turnaround Schulen 100.000 Euro zur Verfügung gestellt werden, erklärten uns nun kurze Zeit später Mitglieder der SPD Fraktion im Abgeordnetenhauses von Berlin in einem Brief, dass bis zu 100.000 € pro Jahr für jede Brennpunktschule zur Verfügung gestellt werden sollten. Vollmundig wurde schon vor den offiziellen Debatten zum Doppelhaushalt 2014/15 versprochen: „Ab 2014 werden den Berliner Brennpunktschulen auf Initiative der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus pro Jahr 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.“ An anderer Stelle heißt es „Unser Programm ist ein Mut-Programm. Die bis zu 100.000 € für jede Brennpunktschule sind eine zusätzliche Unterstützung, die schwierige Sozialstrukturen berücksichtigt und engagierte Bildungsarbeit belohnt.“

Die Liste der vom Programm profitierenden Schulen (207 von insgesamt 800 Schulen) wurde zeitgleich veröffentlicht. Vermutlich waren die Mitarbeiter in den Schulverwaltungen ebenso überrascht von diesen Neuigkeiten wie wir in den betroffenen Schulen. Der Abgeordnete Björn Eggert führte in seinem Brief aus: „Als alleiniger Indikator zur Bestimmung einer Brennpunktschule dient die Anzahl der von der Zuzahlung zu den Lernmitteln befreiten Schülerinnen und Schüler (Lernmittelbefreiung = LMB). Denn eine Brennpunktschule ist eine Frage von arm und reich.“

Freie Mittel statt Projekte vom grünen Tisch

Von den zusätzlichen Mitteln werden erstens Schulen mit mehr als 50% LMB jährlich 50.000 € erhalten - das sind 16 Schulen allein in Kreuzberg. Und zweitens Schulen mit mehr als 75% LMB jährlich 100.000 € erhalten. Das sind 66 Schulen in Berlin – und 14 Schulen in Kreuzberg, das ist knapp jede fünfte. Haben sich die freien Träger der Stadt in den letzten Jahren gerne in der Nähe der Jugendämter der Stadt getummelt oder – wenn denn vorhanden - auch um die Einrichtungen der sozialen Stadt (QMs) herum geschart, so werden sie sich zukünftig auch an die Schulen halten müssen. Mit einem eigenen Budget wächst die Chance der Einzelschule, sich die jeweils zu ihr passenden Projekte oder Honorarkräfte „einzukaufen“. Dies empfinde ich als großen Vorteil. Bislang schien es in Berlin so, dass alle anderen Institutionen - Jugend, Gesundheit, Soziale Stadt – immer viel genauer zu wissen schienen, was Kinder und Jugendliche brauchen und was im Schulsystem so alles schief läuft. Programme wurden an grünen Tischen aufgelegt. Entsprechend hatten wir Schulleiter(innen) oft nur die Chancen zu reagieren. Wir nahmen, was andere sich ausdachten und uns anboten. So entstand an Schulen bisweilen eine Flut von kurzzeitigen Initiativen und Projekten, meist unverbunden nebeneinander, die kaum Einfluss auf die allgemeine Unterrichts- und Schulentwicklung hatten.

Und hatte sich das eine oder andere Projekt als das richtige herausgestellt, scheiterte die Implementierung spätestens nach zwei Jahren an der Möglichkeit einer Regelfinanzierung. Versuchten gar Schulleiter(innen) gegen den allgemeinen Mainstream Projekte an ihren Schulen zu verstetigen, kam das einer Sisyphusarbeit gleich und war bisher nur in wenigen Fällen von wirklichem Erfolg gekrönt.

Unsere Schule kann mit ca. 50.000 € rechnen, ohne Zweifel viel Geld im Vergleich zu dem, was wir derzeit zur freien Verfügung für Projekte aller Art haben. Das könnte ein überzeugender Beitrag zur Verbesserung des Ganztagsangebots werden, so dass unsere Kinder auch in ihren Schulen kompensatorisch das geboten bekommen, was für Mittelschichtskinder in finanziell gesicherten Verhältnissen von Hause aus selbstverständlich ist.

Ein alljährlich abgesichertes Budget zur freien Entscheidung wäre tatsächlich hilfreich, damit die Schulleiter(innen) gemeinsam mit dem Kollegium hilfreiche, das Schulprogramm unterstützende Projekte in den Unterricht und/oder aber in das Schulleben passgenau und nachhaltig integrieren könnten. Mit dem Geld hätten die Schulen viel mehr Einfluss ihnen geeignete, bekannte Personen langfristig an die Schulen zu binden, vorausgesetzt das Land Berlin steuert tatsächlich um und die Ressourcen sind über eine Wahlperiode hinaus verlässlich.

Attraktivität der Schulen wirkt Abwanderung der Mittelschicht entgegen

Es ist längst an der Zeit Schulen in sozialen Brennpunkten zu unterstützen, um sie leistungsfähiger zu machen, aber auch um ihre Attraktivität zu steigern. Größere Attraktivität und Akzeptanz in der öffentlichen Wahrnehmung sind auch probate Mittel gegen die Abwanderung der Mittelschichtskinder aus den Schulen in sozialen Bennpunktlagen. Wir würden das Geld sicherlich gerne für eine verlässliche Finanzierung von kompetenten außerschulischen Mitarbeiter(innen) für unsere Theaterarbeit nutzen.

Oder auch den Aufbau einer sehnlichst erwünschten Lernwerkstatt vorantreiben, um das forschende Lernen in unserer Schule zu stärken. Vielleicht würden wir ja auch wieder einen geeigneten Werkpädagogen für einige Stunden pro Woche finden, der die besonderen Kompetenzen hat mit sogenannten schwierigen Kindern bzw. Jugendlichen zu arbeiten. Es geht um die Kinder, die wegen ihrer großen Auffälligkeiten in der emotional-sozialen Entwicklung so schwierig sind, dass sie in einer normalen Klasse kaum ausreichend individuell zu fördern sind. Wir alle kennen Kinder, die das Lernen aller im Klassenverband tagtäglich so massiv stören, dass kaum noch geregelter Unterricht möglich ist, sich kein gutes, vertrauensvolles Klassenklima entwickeln kann und Lehrer und Lehrerinnen von den Anforderungen, allen gerecht werden zu müssen, nur noch überfordert sind.

„Gib den Hungernden die Angel und nicht den Fisch“

Oder wir könnten den Bücherbestand in unserer kleinen Bibliothek verstärken, die Leseecke gemütlicher ausstatten, mit Hilfe von bezahlten Honorarkräften die Öffnungszeiten und damit die Lesezeiten erhöhen und vermeiden, dass mangels guter Verwaltung der Bücherbestand stetig schwindet. Wir könnten auch noch mehr Musikinstrumente für den längerfristigen Verleih anschaffen und die dazugehörigen Übungsstunden und Bandproben finanzieren, damit mehr Kinder das Musizieren als eine wertvolle Freizeitbeschäftigung erleben können. Vielleicht wäre es ja aber auch zur Zeit viel wichtiger in eine gute Fortbildungsreihe für die Lehrkräfte und Erzieherinnen zu investieren, frei nach dem Motto „Gib den Hungernden die Angel und nicht den Fisch“.

Oder sollte man nicht auch Geld für regelmäßige Supervisionsgruppen nutzen, damit Pädagog(inn)en Entlastung vom schulischen Alltag erfahren und Gelegenheit haben immer wieder neuen Mut und neue Kraft zu finden mit schwierigen Kindern umzugeben? Uns fiele da sicherlich so einiges ein, um unsere Schule für Kinder und damit das Lernen und Arbeiten für alle in der Schule attraktiver und mit größerer Erfolgsaussicht zu gestalten. Ich befürchte allerdings jetzt schon, dass die Mitglieder der SPD Fraktion sich dies alles gar nicht so gedacht haben. Schon jetzt stehen meine Vorstellungen denen in der Pressemitteilung dargelegten Vorstellungen unvereinbar gegenüber.

Auch wenn es noch keine dezidierte Ausführungsvorschrift gibt, werden die Grundsätze des Programms deutlich. Es wird ausgeführt, „abhängig von schulspezifischen Zielvereinbarungen, die sich auf wenige quantifizierbare Indikatoren beschränken sollen, soll ab dem dritten Jahr ein Teil der Mittel für das Folgejahr in Abhängigkeit von der Erfüllung der Zielvorgaben ausgezahlt werden. Erfolgskriterien und Zielvereinbarungen können unter anderem sein: Leistungsergebnisse, Sprachstandsverbesserungen und Bestehensquoten der Schulabschlüsse, Schuldistanz, Schulabbrecherquote und Unterrichtsausfall.“

Dies sind aus meiner Schulleiterperspektive alles berechtigte, nachvollziehbare Anforderungen, die aber nur mit der verlässlichen Aufstockung des Lehrerpersonalschlüssels in einer inklusiv arbeitenden Schule im sozialen Brennpunkt zu erreichen sind. Ergebnisse, die nicht in Form von Tests messbar oder statistisch erfassbar sind, werden nicht genannt. Aber gerade die Angebote sowohl im Bereichen der musisch-ästhetischen Bildung als auch die Möglichkeiten Formen der demokratischen Teilhabe zu erproben und das soziale Lernen sind für unsere Kinder wertvoll.

Brennpunktprogramm kostet so viel wie die 300 Sonderpädagogen, die nun fehlen

Eine andere wichtige Frage tauchte auch nach Bekanntgabe des Programms immer wieder auf: Woher kommt plötzlich dieser Geldsegen, in einer notorisch mittelosen Stadt? Dahinter verbirgt sich die Frage: Wo wird uns das Geld an anderer Stelle abgezogen? Seit Mitte Juni wissen wir es nun, die Bildungssenatorin verschiebt die Inklusion um zwei Jahre. „Das Programm für die Brennpunktschulen hatte SPD-Fraktionschef Raed Saleh gegen Scheeres’ Willen durchgesetzt. Es kostet jährlich ungefähr so viel wie die 300 Sonderpädagogen, die nun fehlen.“ schreibt Martin Klesmann pünktlich zum Ferienbeginn in der Berliner Zeitung.

Was folgt für meine Schule?

Die Prognose für unsere Schule im Schuljahr 2013/14 lautet: Von 350 Kindern in den 1. bis 6. Klassen werden nahezu 60% Kinder sein, die von der Lernmittelzuzahlung befreit sind. Hinzu kommt die statistisch nicht erfasste Anzahl von Kindern, deren Mütter und Väter im Niedriglohnsektor tätig sind bzw. in prekären Lebensverhältnissen leben. Ihr Familieneinkommen liegt oft nur unwesentlich über der Hartz-IV-Grenze. Nach meiner Kenntnis besteht bei mehr als 70 Kindern in meiner Schule ein intensiver Kontakt zwischen den Lehrer(innen) und dem Jugendamt, zu Therapeuten oder zu anderen unterstützenden Einrichtungen im Stadtteil. Die unzähligen Gespräche, Telefonate mit Behörden, Helferrunden, innerschulische Teambesprechungen und das schriftliche Dokumentieren nehmen einen hohen Anteil der Arbeitszeit der Pädagog/innen in unserer Schule in Anspruch.

In unserer Schule geht es eben nicht nur um materielle Einkommensarmut, in deren Folge die betroffenen Familien in unzureichenden Wohnverhältnissen leben, sich ungesund ernähren und nur eine sehr eingeschränkte Teilhabe am kulturellen Leben haben. Es geht auch um die große Anzahl von Kindern, die in eine Familie hineingeboren wurden, in der Bildung kaum eine Rolle spielt und/oder der die Kraft für ein förderliches, strukturiertes Familienleben fehlt. Teilweise treffen die Lehrer und Lehrerinnen auf Eltern mit großer Spracharmut, die selbst keinen Bildungsabschluss erworben haben. Sie tauschen sich mit Eltern über Erziehung aus, die selbst mit Mitteln der Gewalt erzogen wurden und dies dann an ihre Kinder unreflektiert weitergeben. Wir haben es auch mit Vätern und Müttern zu tun, denen schlichtweg die Kompetenzen fehlen, sich ausreichend um das Wohl ihrer Kinder zu kümmern.

Eltern sind entscheidend für den Lernerfolg der Kinder

Die Erfolge unserer Arbeit hängen maßgeblich von der Bereitschaft und der Kompetenz der Eltern ab, die Hilfen und Unterstützungsangebote im Stadtteil zu nutzen. Manche Eltern nehmen die „Hilfen zur Erziehung“ gerne an und bemühen sich ihrerseits die Schule zu unterstützen. Sie kümmern sich um Termine, greifen Anregungen auf und sind selbst hoch interessiert am Wohl und am schulischen Fortkommen ihrer Kinder. Andere Eltern nehmen die Unterstützung pro forma an, ergreifen aber die Chance, die Lebenssituation ihrer Kinder zu verbessern, nicht wirklich. Einige geben weitgehend ihre Verantwortung für das Erziehen ihrer Kinder an die Schule und – wenn es sich denn ergibt - an andere beteiligte staatliche Institutionen ab.

Letztere lassen die Lehrkräfte, aber auch ihre Kinder allein mit den Problemen. Sie handeln nach dem Motto: Die Therapie oder die „soziale Gruppe“ wird es schon richten - oder eben auch nicht. Ganz besonders frustrierend für Lehrer(innen) sind aber auch die Eltern, die jeglichen Kontakt zu anderen staatlichen Institutionen meiden und viel Energie aufwenden, die Kontaktaufnahme zu verhindern.

All dies sind starke Indikatoren, dass in jeder Klasse alljährlich viele Kinder sein werden, denen das Erlernen der Basiskompetenzen schwerfallen wird. Es sind Kinder, die – wenn sie denn nicht die nötige Unterstützung erfahren – schnell zu Schulversagern werden könnten. Nicht nur wegen der großen Anzahl von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im nächsten Schuljahr werden es mehr als 50 sein, verfolgen wir auch deshalb die öffentlichen Diskussionen rund um die Umsetzung der UN Konvention mit besonders großem Interesse. Auch die von Ausgrenzung und Lernbehinderung bedrohten armen Kinder machen uns deutlich, dass in Berlin die inklusive Schule mit aller Kraft auf den Weg gebracht werden muss.

Hürden zwischen den Verwaltungen Schule, Jugend und Gesundheit

Das Unterrichten in den Klassen wird oft zur übermäßigen Kraftanstrengung der Lehrerinnen. Zur echten Entlastung müssten die vorhandenen Unterstützerinstitutionen sehr viel näher an die Schulen angedockt werden. Ich erlebe die historisch gewachsenen Hürden zwischen den Verwaltungen Schule, Jugend und/oder Gesundheit als ausgesprochen hinderlich. Wünschenswert und sinnvoll wäre eine Neuordnung, bei der die außerhalb von Schule betroffenen Institutionen ihre gemeinsame Arbeit auch direkt am Standort Schule aufnehmen könnten.

Neben verbesserten finanziellen und personellen Mitteln bräuchten wir dringend neue Strukturen der Kooperation zwischen den am Wohl von Kindern und Jugendlichen interessierten Akteuren im Stadtteil. Hier vor allem muss die Kooperation mit den Jugendämtern und den sozialpädagogischen Diensten aller Art intensiviert und vereinfacht werden. Insbesondere in den Bezirken mit vielen Familien in prekären Verhältnissen müssen neue trag- und kooperationsfähige Strukturen gefunden und aufgebaut werden. Soweit ich es verstehe, bedarf es dazu auch gesetzlicher Änderungen und damit ganz neuer Vorgaben. Es ist zu befürchten, dass mit dem Aufschieben der Reform zur inklusiven Schule auch diese Baustelle nicht mit dem notwenigen Tempo vorangetrieben werden kann.

Mit der Entscheidung, die Umsetzung der Inklusion in Berlin um zwei Jahre aufzuschieben, ist aus meiner Sicht ein falsches Signal gesetzt worden. Wir Schulen in sozialen Brennpunkten brauchen alle verfügbaren Hilfen, um im Sinne der Inklusion allen Kindern gerecht werden zu können. Dies gilt umso mehr, wenn wir es ernst nehmen mit dem Anspruch, dass inklusive Schulen nur die Schulen sind, die kein Kind verlieren, egal in welchem sozialen Umfeld es sich befindet.

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Inge Hirschmann ist Leiterin der Kreuzberger Heinrich-Zille-Grundschule und Vorsitzende des Berliner Grundschulverbandes
Text aus der Zeitschrift des Grundschulverbandes Grundschule aktuell „Prekäre Lagen Armut, Kinder Pädagogik“ Heft 123
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion

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