Grundschulwahl: Klischee von Ellenbogeneltern stimmt nicht

28. Jan 2020

Daniela von Treuenfels
Grundschulwahl: Klischee von Ellenbogeneltern stimmt nicht

Ziemlich untendurch sind bei manchen Eltern die Grundschulen in ihrem Einzugsgebiet. Die Schulen, die ihre Erstklässler besuchen sollen, entsprechen - aus welchen Gründen auch immer - nicht den Erwartungen.

Aber wie viele Familien sind es genau, die einen Schulplatzwechsel beantragen? Und belegen die Zahlen das Bild von den Ellenbogen-Familien, die ihre Kinder auf die Überholspur setzen?
Eine Antwort der Bildungsverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Politikerin Marianne Burkert-Eulitz beleuchtet das Elternverhalten für die Schuljahre 2018/19 und 2019/20. Demnach ist die Zahl der Anträge auf Aufnahme in eine andere Grundschule mit Ausnahme von Neukölln in allen Bezirken gestiegen. Für Treptow-Köpenick lagen keine Zahlen vor. Insgesamt gab es 11.667 bzw. 12.134 Bitten um einen Wechsel der Grundschule. Bezogen auf die Zahl der Erstklässler ist das jeweils ungefähr ein Drittel.
Bewilligt wurden 6.845 bzw. 7.366 Anträge, in dieser Statistik fehlen (neben T-K) die Daten aus Steglitz-Zehlendorf. Es wurden also Pi mal Daumen 50 bis 70 Prozent der Wechselanträge positiv beschieden.

So weit, so entspannt. Nicht wenige Familien sagen was sie gerne möchten, die meisten kriegen ihren Willen, alles ruckelt sich zurecht. Trotzdem ist das Thema immer wieder Anlass für heiße Diskussionen. Ein Wanderzirkus sei das, viel Arbeit für die Bezirke, das Elternwahlrecht solle man abschaffen, die Praxis führe zu sozialer Spaltung.
Richtig ist: die Wechselwünsche sind vielfältig, oftmals wird ein bestimmtes Profil gewünscht: eine der Europaschulen mit einem sprachlichen Profil oder eine Grundschule mit Betonung auf Musik oder Sport. Auch für gebundene Ganztagsschulen braucht es einen Antrag. Und ja, Eltern, die diese Regeln nicht kennen oder sich nicht kümmern (können), bleiben mit ihren Kindern an der Kiezgrundschule. Manchmal besteht die Schülerschaft dort fast nur aus Kindern aus benachteiligten Familien, weil bildungsaffine Familien woanders hingehen. Die notwendige Heterogenität geht verloren.

Interessant wird es bei der Frage: Was machen die Familien, deren Anträge abgelehnt wurden? Die erstaunliche Antwort ist: sie fügen sich. Möglicherweise ist die Kiezschule als zweite Wahl doch nicht völlig inakzeptabel. Vielleicht haben die Eltern auch Privatschulen angesteuert; ob ja und in welcher Zahl, darüber gibt die Statistik keine Auskunft. 2019 haben 47 Eltern gegen ihren negativen Bescheid geklagt, das waren ein Prozent der Familien, deren Anträge keinen Erfolg hatten. 12 der Klagen waren erfolgreich. Bezogen auf die Gesamtzahl der Erstklässler in Berlin sitzen also 0,04 Prozent der Kinder (von 33.500) in "Wunschschulen", weil Eltern den Rechtsweg gewählt haben.

Das Klischee vom Ellenbogen stimmt also nicht. Was zu beweisen war -)

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