22. Dez 2017
Das Berliner Neutralitätsgesetz ist aktuell wieder in der Diskussion. Eine Initiative aus Schulpraktikern, Politikern und Privatpersonen tritt dafür ein, dass es nicht verändert wird. Die Akteure sehen "eine konkrete Gefährdung des Schulfriedens" schon jetzt als gegeben. Berlin-Familie unterstützt die Initiative. Das demonstrative Tragen religiöser Symbole an Schulen wird religiös motivierte Konflikte vermehrt in die Schulen tragen. Das muss verhindert werden.
"Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen nach dem Schulgesetz dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Dies gilt nicht für die Erteilung von Religions- und Weltanschauungsunterricht." So steht es im Gesetz geschrieben, und so soll es bleiben. Berlin-familie.de unterstützt den Aufruf der Berliner Initiative PRO Berliner Neutralitätsgesetz: Es soll unverändert bestehen bleiben. Wir dokumentieren den Wortlaut der Erklärung.
[Zitat] In Berlin leben Menschen aus über 190 Nationen und vielen unterschiedlichen Sozialisationen und Kulturen zusammen. Dies sehen wir als Bereicherung und zugleich als eine große Herausforderung an. Zusammenleben in Vielfalt gelingt nur dann, wenn wir die Vielfalt der Lebensentwürfe und Religionen / Weltanschauungen, die Individualität aller Bewohner*innen akzeptieren und für eine demokratische Stadtkultur eintreten. Dazu bedarf es religiös und weltanschaulich neutraler staatlicher Institutionen.
Das Berliner Neutralitätsgesetz leistet einen wichtigen Beitrag zur friedlichen Gestaltung von Vielfalt: es garantiert staatliche Neutralität da, wo Menschen der Staatsgewalt nicht ausweichen können, sei es vor Gericht, bei der Polizei, im Justizvollzug oder an allgemeinbildenden Schulen. Richter*innen, Staatswält*innen, Justizmitarbeiter*innen, Polizist*innen sowie Lehrer*innen und Pädagog*innen an allgemeinbildenden Schulen dürfen keine politisch, religiös oder weltanschaulich geprägten Symbole demonstrativ tragen. Diese Regelung ist für den gesellschaftlichen Frieden in einer Stadt wie Berlin mit über 250 Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und mit einem Anteil von über 60 Prozent konfessionsloser Menschen an der Gesamtbevölkerung unabdingbar. Das Berliner Neutralitätsgesetz verdient Unterstützung, auch weil es alle Religionen und Weltanschauungen gleich behandelt.
Die Diskussionen in den vergangenen Monaten zeigen einen breiten zustimmenden Konsens pro Neutralität für die Bereiche der Justiz und der Polizei. Dieselben Maßstäbe müssen aber auch für die allgemeinbildenden Schulen gelten. Dort steht das Berliner Neutralitätsgesetz politisch unter Druck.
Die
Unterzeichner*innen dieser Erklärung möchten die Berliner
Bildungsverwaltung dabei unterstützen, an diesem erfolgreichen Gesetz -
auch und gerade für die allgemeinbildenden Schulen - mit aller
Konsequenz festzuhalten.
Für die Beibehaltung der Regelungen im
Berliner Neutralitätsgesetz für die allgemein-bildenden Schulen mit rund
320.000 Schüler*innen an etwa 800 Schulen sprechen eine Reihe guter
Gründe:
♦ Der staatliche Erziehungsauftrag nach dem Berliner
Schulgesetz kann nur dann erfüllt werden, wenn die
weltanschaulich-religiöse Neutralität und der Schutz der negativen
Glaubensfreiheit der Schüler*innen lückenlos garantiert sind.
Pädagog*innen, die in der Schule religiöse oder weltanschauliche Symbole
tragen, gewährleisten diese Neutralität nicht.
♦ Das
Schüler*innen-Pädagog*innen-Verhältnis ist ein besonderes
Abhängigkeitsverhältnis. Die Pädagog*innen befinden u.a. über die
Versetzung und einen erfolgreichen Schulabschluss. Sie sind in der
Schule Autoritätspersonen mit einem starken Einfluss auf die
Schutzbefohlenen. Ihnen kommt eine Vorbildfunktion zu. Von religiös
bestimmter Bekleidung geht - auch abhängig von dem Alter der betroffenen
Schüler*innen - eine appellative Wirkung aus.
♦ In zunehmendem Maße
werden muslimische Schüler*innen von Mitschüler*innen, aber auch aus
Moscheen heraus, unter Druck gesetzt, das Kopftuch zu tragen oder andere
religiös motivierte Verhaltensvorgaben (etwa Einhaltung der
Fastenvorschriften) zu befolgen. Ein solcher Druck würde sich durch eine
religiöse Bekleidung der Lehrkräfte erhöhen. Als Vertreter*innen des
Staates würden diese Lehrkräfte dabei eine eindeutig bejahende Haltung
zu einer bestimmten Auslegung des Korans ausdrücken. Auch wenn die
einzelne Pädagogin nicht religiös beeinflussen will, kann bereits ihr
Erscheinungsbild einen subtilen Druck ausüben. Gerade die jungen
Grundschulkinder sind besonders beeinflussbar. Die bereits gegenwärtig
schon auftretenden Konflikte an vielen Schulen in der Stadt um das
„richtige“ islamische Verhalten und die „richtige“ islamische Bekleidung
würden dadurch zusätzlich verstärkt. Eine konkrete Gefährdung des
Schulfriedens ist in Berlin schon jetzt gegeben.
♦ Es existieren auch
Spannungen zwischen religiösen Gruppen untereinander. Wir dürfen
außerdem nicht verschweigen, dass es ein Interesse von konservativen
religiösen und islamistischen Kräften gibt, das Berliner
Neutralitätsgesetz abzuschaffen.
Das Berliner Neutralitätsgesetz bringt Einschränkungen für Frauen, die das Kopftuch tragen wollen, aber auch für andere Menschen, die im Dienst religiöse Symbole tragen wollen. Es geht bei der Umsetzung staatlicher Neutralität nicht um eine Missachtung der Religionsfreiheit, sondern um Grenzen der Religionsfreiheit, die den Betroffenen lediglich eine räumlich und zeitlich eng gefasste Zurückhaltung während der Ausübung einer Tätigkeit im Öffentlichen Dienst abverlangt. An Berufsschulen ebenso wie an religiös ausgerichteten Privatschulen dürfen in Berlin Lehrer*innen religiöse oder weltanschauliche Symbole tragen, darunter auch das Kopftuch. Von einem „Berufsverbot“ kann deswegen nicht gesprochen werden.
Wir bewerten die Neutralitätspflicht des Staates, die
negative Religionsfreiheit von 340.000 Schüler*innen und deren Eltern
und den gesellschaftlichen Frieden in der Stadt höher, als die
Einschränkungen der Religionsfreiheit durch das Berliner
Neutralitätsgesetz in einem sehr engen Bereich.
Wir möchten mit
unserer Initiative einen Beitrag leisten, das Berliner
Neutralitätsgesetz zu erhalten. Unser Ziel ist es, damit den
gesellschaftlichen Frieden und Zusammenhalt in unserer Stadt und seinen
Schulen zu stärken.
Berlin, 21.11.2017 [Zitat Ende]
Alle Infos: pro.neutralitaetsgesetz.de
Kontakt
PRO-neutralitaet-berlin@gmx.de oder Fax: 030-214 15 02
Der Gesetzestext findet sich hier: gesetze.berlin.de
Bildungspolitik - was Parteien, Organisationen, wissenschaftliche Einrichtungen zum Thema Schule und frühkindliche Bildung sagen.
Schule - Infos, Ideen, Akteure.
Darf das so sein? Warum geht das nicht? Wie ist das geregelt? Unsere Kolumnisten klären Schulrechtsfragen: Schulrechtsanwalt Andreas Jakubietz stellt Fallbeispiele aus seiner beruflichen Praxis vor. Die langjährigen Elternvertreter Constantin Saß und Ruby Mattig-Krone beantworten Elternfragen.
Kita: rund um Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung
Kindermedien: Apps und Webseiten für Kinder
Lernorte: Orte zum Lernen und Spaßhaben jenseits der Schule
Kostenlos, werbefrei und unabhängig.
Dein Beitrag ist wichtig, damit das so bleibt.
Unterstütze unsere Arbeit via PayPal.