Schulsanierung: Leise rieseln die Bundesgelder

15. Mai 2018

Daniela von Treuenfels
Schulsanierung: Leise rieseln die Bundesgelder

Wände bröckeln, Schimmel blüht, Fenster werden zugeschraubt, Dächer sind undicht – viele Schulen in Deutschland sind in einem katastrophalen Zustand. Der Bund hat den Ländern jetzt eine Unterstützung für die Sanierung der maroden Bausubstanz bereitgestellt. Wie werden die insgesamt 3,5 Milliarden Euro verteilt? Kommt die Hilfe an? Bei der Suche nach dem Weg des Geldes stößt man auf die Karikatur einer Verteilungsgerechtigkeit – weil zu viele Menschen von viel zu wenig Mitteln profitieren sollen. Für eine sachgerechte Zuweisung fehlen meist auch Daten.

Nein, es ist nicht so, dass Ergebnisse von Studien, Erhebungen oder Umfragen die Politik nicht erreichen würden. Beispielsweise das Deutsche Institut für Urbanistik, die Bertelsmann-Stiftung oder der Bericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit kamen in der jüngeren Vergangenheit Jahr für Jahr zu immer denselben Schlussfolgerungen: die Kommunen sind nicht mehr in der Lage, ihre Infrastruktur in Ordnung zu halten. Straßen, Schienen, Brücken, öffentliche Gebäude – es bröselt überall. Und es gibt gewaltige regionale Unterschiede.

Erst spät, 2015, reagierte der Bundestag. 3,5 Milliarden Euro wurden in Paragrafen gegossen, heraus kam das „Gesetz zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen (Kommunalinvestitionsförderungsgesetz - KInvFG)“. Die Mittel wurden nicht nach dem üblichen Verteilmechanismus, dem Königsteiner Schlüssel, auf die Bundesländer aufgeteilt, sondern in Richtung der finanzschwächeren Länder verschoben. Die Verteilung erfolgte zu je einem Drittel nach dem Anteil an der Bevölkerung, dem Anteil an den Arbeitslosen sowie den Anteilen am Gesamtbestand der Kassenkredite der Länder und Kommunen jeweils im Durchschnitt der drei Jahre 2013 bis 2015. Die finanzstarken Länder Bayern und Baden-Württemberg bekamen im Ergebnis nur fast halb so viel Bundesgeld als ihnen sonst zusteht. Größter Profiteur war Nordrhein-Westfalen, wo rund eine Milliarde Euro Fördermittel landen; auch Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland konnten sich über Zuschläge freuen.

Wie die Länder das Geld auf Städte und Gemeinden verteilten, blieb ihnen überlassen. Vorgaben des Bundes gab es nicht. „Bei der Auswahl der finanzschwachen Kommunen werden Kriterien zu Grunde gelegt, die auf das Gebiet des jeweiligen Landes oder Stadtstaates bezogen sind. Die Länder können die Finanzhilfen auch pauschal auf die finanzschwachen Kommunen aufteilen.“ So viel Unkonkretes im Gesetz bedeutet viel Freiraum - und die Möglichkeit, möglichst viele an dem großen Kuchen teilhaben zu lassen. Finanzschwach sind schließlich irgendwie alle Kommunen.

Enormer Bedarf in allen Bundesländern

Dem widerspricht niemand. Jahre nach der Bankenkrise und einer wirtschaftlichen Rezession sind die Folgen des Sparzwangs überdeutlich sichtbar. Vor allem Schulen haben unter fehlenden Investitionen in Erhalt und Reparatur gelitten, und schon das erste kommunale Investitionspaket des Bundes haben Städte und Gemeinden zu einem großen Teil in die Bildungsinfrastruktur gesteckt, wie aus einer Aufstellung des Bundesfinanzministeriums hervorgeht: Von insgesamt 10.570 angemeldeten Projekten sind rund 40 % Investitionen in die Bildungsinfrastruktur, die fast die Hälfte der Gesamtinvestitionen von 2,2 Mrd Euro ausmachen. Wegen des Kooperationsverbotes in der Bildung darf dieses Geld nur für energetische Sanierungen verwendet werden, aber auch für Kitas oder die Modernisierung von Berufsschulen.

In der Zwischenbilanz des Ministeriums wird auch schon deutlich, dass die Umsetzung der Milliardenhilfen des Bundes nur langsam anläuft. Bis Ende 2017 waren erst 17,9 % der 3,5 Milliarden Euro abgerufen worden. 13 Prozent, also eine halbe Milliarde Euro, waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht verplant. Als Gründe dafür werden von den Kommunen unbesetzte Stellen in der Verwaltung und volle Auftragsbücher bei den Baufirmen angeführt.

3,5 Milliarden Euro sind 2,8% dessen, was das Deutsche Institut für Urbanistik im Auftrag der KfW-Bankengruppe im „KfW Kommunalpanel“ 2017 als Investitionsstau der deutschen Kommunen angibt. Die Hochrechnung, die sich auf Befragungen der Kämmerer stützt, bilanziert die Investitionsrückstände der Städte, Landkreise und Gemeinden auf insgesamt 126 Milliarden Euro. Was in dieser Rechnung fehlt: die enormen Sanierungsbedarfe der Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin. Addiert man einen vorsichtig geschätzten Investitionsbedarf von 20 Milliarden Euro für die drei Städte, verkleinert sich der Anteil der Bundeshilfe auf 2,4 Prozent – großzügig wird man das nicht nennen können.

Seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2010 verweisen die Forscher des DIfU auf regionale Disparitäten. „Ungünstige finanzielle Rahmenbedingungen sowie bereits bestehende und weiter wachsende Defizite in der kommunalen Infrastruktur bergen insbesondere für die finanzschwachen Kommunen die Gefahr einer Abwärtsspirale bzw. einer „Vergeblichkeitsfalle““, fassten die Experten im Jahr 2016 zusammen. In dieser Untersuchung widmete sich das Kommunalpanel dem Schwerpunkt „Bildung, Schule und Inklusion“ – mit einer klaren Botschaft: Zwar müssten vor allem die Länder und die Kommunen selber aktiv an der Gesundung der Gemeindefinanzen mitwirken. Doch der Bund müsse einen Beitrag leisten.

Die Politik reagierte abermals. Mit der Fortschreibung des Kommunalinvestitionsgesetzes, also wieder mit einer Förderung, wieder mit 3,5 Milliarden Euro. Eine Änderung des Grundgesetzes ermöglichte eine Schwerpunktsetzung nur auf Schulen. Eine weitere Neuerung: Die Länder bekamen Vorgaben, wie das Geld zu verteilen ist: als Kriterien gelten die Teilnahme an einem Landeshilfsprogramm, der Empfang von Schlüsselzuweisungen, eine hohe Verschuldung und soziale Merkmale wie Arbeitslosenzahl, Sozialbezug und Steuerkraft. Die Gewichtung der Faktoren blieb den Ländern überlassen. Die Bundesmittel sollten in die finanzschwächsten Kommunen fließen, höchstens die Hälfte der Städte und Gemeinden eines Landes sollten profitieren. Ein naheliegender Gedanke, denn Unterschiede gibt es nicht nur auf das gesamte Land bezogen, sondern auch innerhalb der Bundesländer gibt es teilweise starke Ungleichheiten.

Die Stiftung Bildung hat im Rahmen ihrer Kampagne Einstürzende Schulbauten zur Bundestagswahl 2017 den Vorschlag gemacht, die Bundesgelder auf die 2.000 finanzschwächsten Kommunen zu verteilen. Bei insgesamt 11.000 wären also 9000 Städte, Kreise und Gemeinden leer ausgegangen; die Begünstigten hätten im Durchschnitt 1.750.000 Euro bekommen. Ein Witz angesichts zahlreicher abrissreifer Gebäude und Schäden, die nur mit zweistelligen Millionenbeträgen zu sanieren sind.

Was tun mit so wenig Geld?

Ein echtes Dilemma. Was tun mit so wenig Geld? Und in einer föderalen Struktur, in der als gerecht gilt, wenn alle etwas bekommen? Die kommunalen Spitzenverbände trugen als erste zur Aufweichung der vom Bundesgesetzgeber beabsichtigten Fokussierung auf die finanzschwächsten Kommunen bei. Die von ihnen durchgesetzte Zauberformel in der Verwaltungsvereinbarung zum 2. Kapitel des Kommunalinvestitionsfördergesetzes ist ein kleines lobbyistisches Kunstwerk: Höchstens 50 Prozent der Gemeinden können Fördermittel erhalten heißt es im Text, und: „Alternativ ist auch ein höherer Anteil von höchstens 85 Prozent möglich, wenn mindestens 70 Prozent der dem jeweiligen Land zur Verfügung stehenden Mittel in höchstens 50 Prozent der finanzschwachen Gemeinden/ Gemeindeverbände bzw. Gebiete verwendet werden.“ In der Folge orientieren sich nun fast alle Länder an dieser charmant formulierten Kompromissformel.

„Die Flächenländer legen im Einvernehmen mit dem Bund entsprechend den landesspezifischen Gegebenheiten die Auswahl der finanzschwachen Gemeinden und Gemeindeverbände fest.“ Klingt harmlos, doch schon das neue „Einvernehmen“ zwingt den Ländern eine Kommunikation mit dem übergeordneten Ministerium auf, die für manche mindestens gewöhnungsbedürftig ist. Und die Länder haben doch den ersten Teil des Gesetzes schon abgearbeitet? Finanzschwäche also schon durchdacht und bewertet? Diskutiert und beschlossen? Mitnichten - mancherorts werden sogar völlig neue Rahmenbedingungen aufgestellt.

René Geissler, Experte für kommunale Finanzen bei der Bertelsmann Stiftung, hat sich die Finanzschwächekriterien beider Kapitel des Kommunalinvestitionsgesetzes genauer angesehen. Elf unterschiedliche Varianten der Definition „finanzschwache Kommunen“ hat der Verwaltungswissenschaftler gezählt, die sich wiederum auf 13 verschiedene Indikatoren stützen. „Das wichtigste Merkmal bleiben die Schlüsselzuweisungen. In engem Zusammenhang dazu stehen Steuereinnahmekraft und Finanzkraft, die Auswirkungen auf die Schlüsselzuweisungen haben.“ Aspekte sozialer Belastung (Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose) finden sich in nur drei Ländern: Baden-Württemberg, Brandenburg und dem Saarland. In drei Ländern ist die Teilnahme an einem landesrechtlichen Sanierungsprogramm entscheidend.

Fünf Länder änderten ihre Kriterien vollständig, die anderen teilweise, stellte René Geissler fest. Was die Verteilung angeht, hat der Kommunalexperte in den 13 Flächenländern elf unterschiedliche Verfahren identifiziert. Mal entscheiden Ministerien, mal Beiräte auf Regierungsbezirksebene, ein Vergabegremium auf Landesebene, Landkreise oder die Kommunen selbst. Da jetzt der Fokus auf den Schulgebäuden liegt, haben acht Länder Schülerzahlen zum Maßstab der Mittelverteilung gemacht.

Geld pro Schüler – wieviel gibt der Bund eigentlich pro Kopf? Weil die genauen Summen pro finanzschwacher Kommune teilweise noch nicht bekannt sind, lässt sich das nicht sagen. Aber die Summen pro Bundesland sind gesetzlich festgelegt, und das Statistische Bundesamt liefert Zahlen zu Schülern und Schulen. Demnach bekommt im Schnitt jeder Schüler 374 Euro, jede Schule etwa 100.000 Euro. Weil ein Teil gar nichts von den Bundesgeldern bekommt – in Hessen wären das ohne ergänzende Landesmittel ein Drittel der Kinder gewesen – steigt die Summe also noch etwas. So oder so, es ist mager.

Die Kriterien für die Verteilung der Fördergelder auf die Bundesländer wurden mit dem ersten kommunalen Investitionsgesetz festgelegt, und mit der Fokussierung auf die Schulen auch nicht mehr geändert. Ist das sinnvoll? Erklärtes Ziel der Bundespolitiker war eine Stärkung der Länder mit besonders verschuldeten Kommunen, laut DIfU-Studie also NRW, Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Teilt man die Fördersummen der Länder durch die Anzahl ihrer Schüler, ergeben sich niedrige Werte für Baden-Württemberg (163 Euro pro Schüler) und Bayern (177). An der Spitze liegt das Saarland mit 579 Euro, mit großem Abstand folgt Sachsen-Anhalt mit 487 Euro pro Kind, die „Sorgenkinder“ NRW, HE und RLP liegen mit Werten oberhalb 400 Euro im oberen Mittelfeld. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Summen pro Schule. Am wenigsten bekommen im Durchschnitt die Schulen in Baden-Württemberg (35.000 Euro) und Bayern (51.000). An der Spitze mit Werten zwischen 128.000 und 155.000 Euro liegen NRW, Saarland, RLP und Bremen. Mission accomplished – die Reichen kriegen wenig, die Armen viel.

Am Bedarf und an den armen Kindern vorbei

Sinnvolle Kriterien wären auch Sanierungsbedarfe gewesen - Geld dahin wo die marodesten Schulen stehen. Dazu fehlt allerdings der Überblick: Alle Länder, mit Ausnahme der Stadtstaaten Berlin und Hamburg, haben keine Kenntnis vom Zustand ihrer Schulgebäude. In Bremen gab es im vergangenen Jahr eine erste Erhebung, die kurzfristig und nach Augenschein erstellt wurde, mit Zahlen, die über den sehr dicken Daumen gepeilt nur grob geschätzt wurden. Zuständig in den Flächenländern sind die Kommunen als Schulträger, und die lassen sich nur ungern hineinreden oder in die Karten schauen. Mit dem Hinweis auf die kommunale Selbstverwaltung werden teilweise sogar Anfragen der Landesregierung nicht beantwortet.

Weil auch innerhalb der Städte und Gemeinden sich Gesellschaften auseinanderdividieren und sich die Segregation in den Schulen widerspiegelt, könnte man auch Fördergelder dorthin lenken, wo besonders viele arme Kinder zur Schule gehen. Auch dafür fehlt in den meisten Fällen die Datengrundlage: Instrumente dafür gibt es in Hamburg mit dem Sozialindex für Schulen sowie in Berlin und Rheinland-Pfalz, wo der Anteil der armen Kinder anhand der Lehrmittelbefreiungen bestimmt werden kann. Alle anderen Bundesländer verfügen nicht über Daten, die es erlauben würden, Fördermittel nach der sozialen Lage ihrer Schüler zu verteilen.

Bleibt also die Suche nach einem gesetzeskonformen Weg mit einer Prise Landesspezifikum. Das ist nicht banal und kann dauern, was mit den unterschiedlichen Verfahrensweisen zusammenhängt. René Geissler fasst zusammen: „Fünf Länder wählten den Weg über ein formelles Gesetz zur Umsetzung von Kapitel 1. Damit war auch die Rechtsnatur zur Umsetzung des Kapitels 2 vorgegeben, denn das ursprüngliche Gesetz musste geändert werden“. Mit allem was daran hängt: das parlamentarische Verfahren, Beteiligung der Verbände, Beschlussfassung. Die übrigen acht Länder, so Geissler, trafen die Regelungen allein über Verwaltungsvorschriften, Richtlinien, teils gar nur ministerielle Schreiben. Erst in diesem Monat (Mai) werden mit der Verabschiedung von Gesetzen in den letzten Bundesländern die Abstimmungen abgeschlossen sein.

Regionale Spezialitäten

13 Flächenländer, 13 unterschiedliche Verfahrensweisen. Und selbst unter diesen gibt es noch sehr spezielle Details: Thüringen ist das einzige Land, das Privatschulen von einer Förderung ausschließt. Zunächst hatte auch Niedersachen dieses Ziel, doch das ist offenbar vom Tisch: Eine Sprecherin des Verbandes der Privatschulen in Niedersachsen spricht von „intensiven Gesprächen“, Näheres könne erst nach Verabschiedung des Gesetzes gesagt werden. Man warte nun auf die Details zur Antragstellung.

Schleswig-Holstein hat bereits im ersten Teil des Kommunalen Investitionsprogrammes alle Mittel ausschließlich in die Schulinfrastruktur gesteckt. Der Kreis der Berechtigten beschränkt sich deshalb im 2. Kapitel auf die Hälfte der Schulträger ganz im ursprünglichen Sinne des Gesetzes. Aus den vorgeschlagenen Projekten bilden Bildungsministerium und Kommunalverbände eine Prioritätenliste. Die Maßnahmen werden dann mit 50 bis 90 Prozent der Kosten gefördert.

Das kleinste der Bundesländer hat seinen Mut und seinen Verstand zusammengenommen und setzt Prioritäten: Die Fördermittel aus dem kommunalen Investitionsprogramm sollen im Saarland vor allem den Grundschulen zugute kommen. Die Prioritätensetzung auf eine Schulform bringt Mindestfördersummen von 300.000 Euro, wie Innenminister Bouillon mitteilt. Das sind Beträge, die vielleicht für mehr reichen als nur neue Toiletten. Unumstritten ist das nicht und führt im Parlament zu kritischen Fragen. Ob das Land denn Erkenntnisse über den Zustand der Schulen habe? Und darüber, dass eine Schulform besonders betroffen sei? Das wollte die Abgeordnete Barbara Spaniol von den Linken wissen. Natürlich liegen solche Daten nicht vor, und das antwortende Ministerium verweist, wie alle anderen Flächenländer auch, auf die kommunale Selbstverwaltung. Und kündigt an: „Zur Auswahl der Einzelmaßnahmen nach KInvFG finden mit allen ausgewählten Kommunen vor Antragstellung Einzelgespräche im Ministerium für Inneres, Bauen und Sport unter Beteiligung des Ministeriums für Bildung und Kultur statt, um die Beurteilung der Förderfähigkeit und Notwendigkeit der ausgewählten Einzelprojekte vorzunehmen.“

Ein bisschen für jeden, nach diesem Prinzip verfahren besonders Hessen und Baden-Württemberg, die jeweils eigene Zusatzprogramme aufgelegt haben.
An Main, Werra und Lahn wären nach den Vorgaben des Bundes 25 Schulträger antragsberechtigt, 6 wären leer ausgegangen. Das Land Hessen gleicht die unterschiedliche Verteilung durch zwei Landesprogramme aus, zudem erhalten Kommunen, die durch die Vorgaben des Bundesgesetzes schlechter gestellt sind, insgesamt 20 Millionen Euro. Das Anliegen des Bundes, besonders die finanzschwachen Gemeinden zu stärken, wird hier komplett unterlaufen. Hessen unterscheidet sich auch in einem zweiten Punkt wesentlich von anderen Ländern: Der Eigenanteil der Kommunen beträgt 25 Prozent, obwohl das Bundesgesetz eine Förderung bis zu 90 Prozent erlaubt. Immerhin können die finanzschwachen Schulträger zur Finanzierung des Eigenanteils über ein spezielles Programm des Landes ein Darlehen abrufen. Auf die Schwierigkeit, geforderte Eigenmittel bei der Inanspruchnahme von Förderungen aufzubringen, hat die DIfU-Studie mehrfach hingewiesen. Hessen reagiert darauf als einziges Bundesland. Dafür beträgt der Eigenanteil in den meisten anderen Bundesländern nur 10 Prozent.

Besonderheiten der Stadtstaaten blieben unberücksichtigt

13 Flächenländer, 13 Sonderfälle. Dazu gesellen sich nun die drei Stadtstaaten. Kassenkredite gibt es hier nicht, und wie einige ostdeutsche Bundesländer, die ebenfalls auf diese Besonderheit der Kommunalfinanzierung verzichten, leiden die drei Großstädte unter der Verteilungsungerechtigkeit des Gesetzes. „Den Besonderheiten von Stadtstaaten wurde leider kaum Rechnung getragen“, teilt beispielsweise die Sprecherin der Bremer Finanzbehörde mit. „So kann z.B. die Straßenseite als Stadtteilgrenze über die Förderfähigkeit einer Schule entscheiden.“ Da das Gesetz explizit auf die Finanz- oder Strukturschwäche der einzelnen Stadtteile abhebe, „kommen somit zur Ermittlung der Finanz- / Strukturschwäche auch Kriterien zur Anwendung, die nicht unmittelbar mit dem Förderziel „Schulsanierung“ in Zusammenhang stehen.“ Bremen, das seinen Schulsanierungsbedarf schätzungsweise kennt, darf die Fördermittel nicht bedarfsgerecht einsetzen.

Auch das vergleichsweise wohlhabende Hamburg, das als einziger Stadtstaat zu den Geberländern im Rahmen des Länderfinanzausgleichs gehört, verteilt seine Mittel nach sozialen Kriterien auf Basis des „Sozialmonitoring Integrierte Stadtteilentwicklung Bericht 2016“. Von den 104 Stadtteilen wurden 41 als förderfähig eingestuft, „von denen 27 als sogenannte Schwerpunktgebiete vorrangig zu berücksichtigen sind“, so ein Sprecher der Finanzbehörde. Die Fördergelder gehen also vorwiegend in ein Viertel der Stadtteile – eine klare Prioritätensetzung. Die Bundesmittel wandern vollständig in das Sondervermögen Schulimmobilien. Drei landeseigene Gesellschaften „werden die Maßnahmen so umsetzen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel in vollem Umfang zweckentsprechend genutzt werden können“, so der Sprecher. Die Stadt Hamburg kennt den Zustand ihrer Schulgebäude sehr genau, hat ihn transparent gemacht und arbeitet nun die Schäden nach einem Maßnahmeplan ab. Die Fördermittel werden dies bestenfalls beschleunigen.

Später als Hamburg, aber ebenso entschlossen, macht sich Berlin derzeit auf den Weg, seine Schulen zu sanieren. Die Nachricht, dass zwei Berliner Bezirke von den Bundesförderungen nichts sehen werden, ging in der Stadt, in der sonst jeder Euro weniger zu Schnappatmung führt, völlig unter. Denn zu wenig Geld ist gerade das geringste Problem. Die 140 Millionen Euro Bundesmittel sind angesichts einer Gesamtsumme von 5,5 Milliarden Euro, die innerhalb von 10 Jahren verbaut werden sollen, ein nettes Zubrot. Die Bezirke als Schulträger sind aber nur bedingt in der Lage, das Geld zu verbauen. Ausgedünnte Bauabteilungen, langwierige Abstimmungsprozesse in einer als lähmend wahrgenommenen zweistufigen Verwaltung, komplizierte Vergabeverfahren und eine gute Auslastung der Baufirmen verzögern die Schulbauvorhaben.

Berlin ist gerade dabei, sich für die Mammutaufgabe Schulbau aufzustellen. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft HoWoGe soll einen Teil der Neubauprojekte abwickeln und dafür bis zu 1,2 Milliarden Euro Kredite aufnehmen können. Gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wird sie auch die sogenannten „Großschadensfälle“ mit einem Bauvolumen größer als 10 Millionen Euro verantworten. Die Bezirke erledigen die Sanierungen unter 5,5 Mio. EUR und teilen sich die Sanierungen zwischen 5,5 und 10 Mio. EUR mit der Senatsverwaltung. Die Berliner Immobiliengesellschaft BIM kümmert sich um die zentralverwalteten Schulen und Oberstufenzentren. Ein neuer Landesbeirat Schulbau hat sich gerade konstituiert, er soll die Bildungsverwaltung beraten und Beteiligungsverfahren implementieren. Der Beirat selbst ist Ergebnis eines solchen Partizipationsprozesses. 70 Experten berieten im vergangenen Jahr die Zukunft der Berliner Schulen: „Lern- und Teamhäuser“ sind seitdem als neue Leitlinie gesetzt.

Alles ist im Fluss, doch die Fokussierung auf Benachteiligung geht hier verloren, da die Fördermittel breit gestreut werden. Die Verteilung der Bundesmittel erfolgt auf Basis der Daten der „Lebensweltlich orientierten Räume (LOR)“, wie eine Sprecherin der Finanzverwaltung mitteilt. Sie fließen ein in das bestehende Sanierungsprogramm. Die gesamte Liste aller Sanierungsvorhaben wurde kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt. Daten zu jeder einzelnen Schule sind auf einer Karte auf den Seiten der Senatsfinanzverwaltung zu finden.

Berlin verzichtet auf die Verwendung seiner Daten aus dem Bildungsmonitoring. Das Instrument der „lmb-Quoten“, also die Zahl der lernmittelbefreiten Kinder an den Schulen, bleibt ungenutzt. Berlin könnte mit diesen Daten zielgenau jene Schulen erreichen, die die meisten armen Kinder unterrichten. Weil partizipative Schulbauplanung immer auch ein Teil der Schulentwicklung ist, könnte man diese Schulen zusammenführen und im Rahmen einer Vernetzung der Frage nachgehen, was sie gemeinsam haben. 140 Millionen Euro des Bundes könnten ein Anlass sein zu erforschen, in welcher Lage sich Schulen mit einer benachteiligten Schülerschaft befinden und wie ihre Schulgebäude gestaltet sein müssen. Geplant ist das alles nicht.

Apropos Gestaltung. Auch das Kommunalpanel des DIfU wirft die Frage nach der Qualität von öffentlichen Gebäuden auf. Die Forscher denken dabei an sinkende Schülerzahlen ab 2035 und die Nutzung der Immobilie danach. Eine reine Fortschreibung bisheriger Kapazitätsplanungen und Ausbaustandards sei nicht zielführend, so die Forscher. Es komme darauf an, „in Zukunft auch auf kommunaler Ebene viel stärker die technologische Dimension von Infrastrukturbedarfen mitzudenken. Inwieweit lassen sich also z. B. durch neue, modulare Technologien Gebäude für den öffentlichen Bedarf so konzipieren, dass sie flexibel über ihren Lebenszyklus nutzbar sind?“

Nachhaltigkeit im Sinne von öffentlicher Mitnutzung und weiterer Verwendung spielt in der Diskussion um Schulsanierung kaum eine Rolle. In Nordrhein-Westfallen wird das Landesprogramm „Gute Schule 2020“ mit einem Volumen von immerhin 2 Milliarden Euro als „Gute Toilette 2020“ verspottet, und auch sonst geht es hauptsächlich um Reparaturen und Erneuerungen. Grundrissänderungen für die Ermöglichung moderner Lernformen sind in allen Bundesländern eher selten anzutreffen.

Auch das ambitionierte Berliner Schulbauprogramm scheint die großen Ziele aus den Augen zu verlieren. Obwohl die neuen Leitlinien ausdrücklich neue Raumprogramme und außerschulische sozialräumliche Nutzungen vorsehen, werden die ersten 10 Schulen, die jetzt im Rahmen des Neubauprogramms gebaut werden, als traditionelle Flurschulen errichtet. Synergien durch weitere Nutzer, die das Schulleben auch inhaltlich bereichern könnten: Fehlanzeige. Klassenzimmer, Lehrerzimmer, Fachräume. Eine Schule wie vor 100 Jahren.

Neben dem gesellschaftlichen Mehrwert geht da vor allem der Gedanke der pädagogischen Innovation verloren. Die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft ist seit einigen Jahren in diesem Thema unterwegs und gilt als Expertin in Sachen pädagogische Architektur. In ihrem Standardwerk „Schulen planen und bauen 2.0“ wirbt die private gemeinnützige Stiftung für die Öffnung von Schulen, räumlich wie inhaltlich: „Die Verschränkung von formellem und informellem Lernen macht die Grenze zwischen Öffentlichkeit und Unterrichtsbetrieb, zwischen Schulhaus und Stadt durchlässiger. Eine gute Schule gibt den ihr anvertrauten Kindern und Jugendlichen ein Stück Heimat und dem Quartier einen kulturellen Mittelpunkt.“

Das ist an manchen Orten in Deutschland bereits Realität, und mit der Idee eines bundesweiten Kompetenzzentrums Schulbau, wie ihn sich die Montag Stiftung wünscht, könnten gute Ideen an vielen Orten wachsen. Dazu müsste sich der Bund mit weiterem Engagement dazu durchringen, den Ländern Qualitätsvorgaben zu machen. Ob diese das akzeptieren würden, ist mehr als fraglich.

Transparenz: Daniela von Treuenfels war bis Dezember 2017 hauptamtliches Vorstandsmitglied der von ihr mitgegründeten Stiftung Bildung. Als deren Pressesprecherin verantwortete sie die Kampagne Einstürzende Schulbauten zur Bundestagswahl 2017.

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Wie es besser gehen könnte: der Kommentar.

„Die besten Schulen in den schwächsten Stadtteilen“ - wie ein Experte für kommunale Finanzen Geld für Schulsanierung verteilen würde.

Diesen Beitrag finden Sie auch

im Blog des Bildungsjournalisten Jan-Martin Wiarda.

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