Warten auf die nächste Schulschließung

04. Okt 2020

Daniela von Treuenfels
Warten auf die nächste Schulschließung

Wer Schulkinder hat, ist froh um jeden Tag, den das Kind in die Schule gehen kann. Die Sorge um eine Ansteckung mit Covid-19 ist dabei ein ständiger Begleiter.

 Denn es wäre doch ein Wunder, wenn das Virus um die Massenveranstaltung Schulunterricht einen Bogen machen würde. Es ist damit zu rechnen, dass spätestens mit dem ersten Frost - wenn also Fenster und Türen wieder länger geschlossen bleiben - Corona sich an den Schulen ausbreitet. Und damit auch in den Familien.

Noch ist es spätsommerlich warm draußen, doch die ersten Schulen wurden schon komplett geschlossen. Der Bezirk Neukölln teilte am Samstag mit, das Ernst-Abbe-Gymnasium schicke "alle Schüler ins schulisch angeleitete Lernen zu Hause". An der Rütli Gemeinschaftsschule sind die gesamte Mittel- und Oberstufe betroffen. Da die Grundstufe sich in einem anderen Gebäude befinde, werde sie weiter offen gehalten.

Corona zeigt mir, wie abhängig wir voneinander sind. Wie fragil das gesellschaftliche Gefüge ist und wie zerbrechlich. Wir sind ziemlich schnell am Arsch, wenn wir nicht aufeinander achten und Rücksicht nehmen.
Waren es zu Beginn der Pandemie die Skihasen und Geschäftsreisenden, die das Virus verbreitet haben, sind es heute Fernreisende, Gottesdienstbesucher oder Menschen, die sich auf Familienfeiern anstecken. Der Unterschied ist, dass erstere es nicht besser wussten - während die heutigen Hochzeiter und Partygänger ein Risiko bewusst in Kauf nehmen.

Kommen nur Eltern auf die naheliegende Idee, dass Kinder in Zeiten der Pandemie nur in die Schule und in die Kita gehen können, wenn alle sich an die Regeln halten? Nein, das ist natürlich nicht so; und zur Wahrheit gehört auch, dass einige Mütter und Väter im Umgang mit Corona, naja, eher entspannt sind und die Hygieneregeln nicht so genau nehmen. Insgesamt ist es mit der gesellschaftlichen Solidarität nicht weit her.

Nach den Erfahrungen aus dem ersten Lockdown gibt es Bekundungen seitens der Politik, Schulen nicht wieder flächendeckend schließen zu wollen. Bis hin zur Kanzlerin ist von der Bereitschaft die Rede, der Bildung von Kindern und Jugendlichen Priorität einzuräumen. Denkbar ist, dass bald wieder eine Abwägung getroffen werden muss: was soll geschlossen werden? Hotels und Gaststätten oder Schulen? Kaufhäuser oder Kitas? Fußballstadien oder Tagespflegestellen?

Das Erschreckende ist: Die nächsten Schulschließungen würden uns wieder völlig unvorbereitet treffen. Gerade hat die Bildungsverwaltung angekündigt, dass alle Lehrer im Laufe des Jahres 2021 (sic!) dienstliche Mailadressen bekommen sollen. Dieses Schneckentempo ist atemberaubend. Währenddessen fordert ein Bündnis "Corona Bildungspakt" aus Eltern, Pädagogen und Schülern mehr Unterstützung für die Schulen: finanzielle Mittel schneller freigeben, datenschutzrechtliche Fragen klären und mehr IT-Personal in den Bezirken und an den Schulen. Der LEA-Vorsitzende Norman Heise fordert "Pop-up-Lösungen": Router und mobilfunktaugliche Endgeräte.

Nötig wäre noch einiges mehr: datenschutzkonforme Nutzung digitaler Plattformen aufzeigen, Standards zeitweise aussetzen. Schulen müssten sich jetzt Konzepte für Hybridunterricht nach den Herbstferien ausdenken, mit geteilten Klassen (eine Hälfte folgt dem Unterricht von zu Hause aus) und möglicherweise einer Maskenpflicht für Oberstufenschüler (hier ist das Kohortenprinzip nicht einhaltbar). Lehrer müssten angewiesen werden, im Falle einer Schulschließung den Fernunterricht von zu Hause aus oder in der Schule zu organisieren. Tage- oder sogar wochenlang keinen Kontakt zu Schülern aufzunehmen, sollte als Dienstvergehen eingeordnet werden. Für nicht erreichbare Schüler müsste eine Präsenzpflicht gelten. Für arme Kinder wäre das Mittagessen weiter anzubieten, Anwesenheit der Schulsozialarbeit inklusive. Fehler des ersten Lockdowns dürfen sich nicht wiederholen.

Konzepte gibt es bisher aber keine.

Der Text wurde als berlin-familie Newsletter veröffentlicht.

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