ANOHA - Kinderwelt des Jüdischen Museums

25. Jun 2021

Daniela von Treuenfels
ANOHA - Kinderwelt des Jüdischen Museums

Wie wollen wir leben? Was bringt die Zukunft? Was ist meine Rolle? Im Anoha können sich Kinder Antworten auf große Fragen buchstäblich erspielen.

„Ich glaube nicht an Gott, aber ich fürchte die gottlose Gesellschaft“, hat Gregor Gysi einmal gesagt. Der Atheist spricht den Kirchen die Kompetenz zu, allgemeine Moralvorstellungen in der Gesellschaft zu verankern. „Wenn es sie nicht gäbe, würde das niemand tun“, sagt der Linken-Politiker, und er ergänzt: „Ohne die Kirchen wären wir eine moralfreie Gesellschaft.“

Das Jüdische Museum, dessen Ziel es ist, das Judentum in Geschichte und Gegenwart zu präsentieren und zu erklären, hat mit der Konzeption eines Kindermuseums die Aufgabe der Wertevermittlung ernst- und angenommen. Es nimmt die Erzählung der Arche Noah aus der Tora als Ausgangspunkt für eine Reise in die Zukunft. Im Zentrum der im Juli 2021 eröffneten Kinderwelt stehen eine riesige Arche aus Holz und 150 von verschiedenen Künstlern entworfene Tierskulpturen. Das Konzept entstand mit Beteiligung eines Kinderbeirats.

Anoha ist innerhalb der ehemaligen Blumengroßmarkthalle gegenüber dem Hauptgebäude neu erbaut worden und umfasst 2.700 Quadratmeter. Beim Bau wurde auf Nachhaltigkeit Wert gelegt und vorwiegend Holz verbaut; die Tragkonstruktionen der Wände und Decken bestehen aus heimischen Rohstoffen. Statt einer maschinellen gibt es eine natürliche Be- und Entlüftung, die den kleinen Nachteil einer geringeren Leistung hat – daher gilt eine Höchstgrenze von 170 Personen pro Stunde.

Geschichte spielen

Den Kindern stehen an verschiedenen Stationen pädagogisch geschulte Vermittlerinnen und Vermittler zur Seite. Sie erzählen die Geschichte der Arche Noah und überlegen mit den Kindern und ihren Familien gemeinsam, warum es so ist oder was anders hätte geschehen können. Wer will, kann ein eigenes Schiff bauen, es in einer Wasserstrecke – dem Sintflut-Simulator – fahren lassen und testen, ob es einer Flutwelle standhält. An anderer Stelle können die Tiere „gefüttert“ und an Bord der Arche gebracht werden. Und überall lassen sich Fragen stellen: Was hat das Einhorn mit der Arche zu tun? Warum friert das Mammut nicht? Was macht der Eisbär, wenn das Eis schmilzt?

Die 150 großen und kleinen Tierskulpturen, zu denen auch vielleicht weniger vertraute wie Nacktmull oder Kakerlake zählen, bestehen aus Feuerwehrschläuchen, Stehlampen, Würfelbechern, Fußbällen und anderen recycelten Gebrauchsgegenständen und wurden alle von Künstlerinnen und Künstlern entworfen. Spielerisch vermitteln die Tiere unterschiedliche Themen. Zum Beispiel laden Fuchs, Spinne oder Eselin in die Sagen- und Fabelwelt ein, Eisbär und Orang-Utan machen auf bedrohte Arten aufmerksam und manche Tiere fordern dazu auf, die Welt aus ihrer Perspektive zu erleben.

Zukunft denken

Kinder können durch die Anakonda kriechen, die größte Schlange der Welt, oder auf sie klettern, auf den Elefanten steigen und es sich mit dem Faultier gemütlich machen. Anders als ein Museum für Erwachsene hat Anoha keine Vitrinen und Absperrungen – dafür Werkbänke, Rutsch- und Kletterbahnen. Herzstück der Kinderwelt ist eine sieben Meter hohe Holzkonstruktion mit einem Durchmesser von 28 Metern. Der ringförmige Bau ist von der über 4.000 Jahre alten mesopotamischen Geschichte der Arche inspiriert und mutet gleichzeitig wie ein Raumschiff an. So verbindet er Vergangenes und Zukünftiges und regt dazu an, darüber nachzudenken, wie das Leben in der Zukunft aussehen könnte.

Nun verbindet der religiöse Laie das Alte Testament und die Geschichte der Arche nicht unbedingt mit sofort mit dem jüdischen Glauben. Ob denn eine „typisch jüdische“ Erzählung für das Anoha nicht angebrachter gewesen wäre, wurde in der Pressekonferenz anlässlich der Eröffnung gefragt. Einerseits, konterte die Anoha-Leiterin Ane Klein-Engel feinsinnig-selbstbewusst, dass es doch nicht darauf ankomme, welche anderen Religionen sich auf die Tora, die heilige Schrift der Juden, bezögen. (Das Judentum ist die älteste Religion, das Christentum und der Islam entwickelten sich daraus als Abspaltungen). Zudem wolle man für alle Kinder ein Angebot machen, vor allem für Familien aus dem Kiez.

In Kreuzberg leben Menschen aus vielen unterschiedlichen Kulturen, traditionell auch viele Muslime. Dass die Geschichte der Arche Noah auch im Koran erzählt wird, dürfte die Ansprache vereinfachen. Die Geschichte der Arche Noah gehört zudem zum Kanon der Grundschule, jedes Kind hat sie schon gehört oder gelesen. Die Botschaft der Erzählung – Gerechtigkeit, Zusammenhalt, Zukunft – ist geeignet, alle anzuziehen, die sich, im Spiel, Gedanken um die Welt von morgen machen möchten.

Ane Klein-Engel hebt noch einmal den Unterschied zu ähnlichen Häusern hervor. „Während viele Kindermuseen sich mit Technik und Naturwissenschaften beschäftigen, verhandeln wir hier auch Werte“.

Gregor Gysi hätte hier sicher viel Freude.


ANOHA

W. M. Blumenthal Akademie
Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz 1, 10969 Berlin

Eintritt frei

https://www.jmberlin.de/ANOHA


Bildrechte: ANOHA – Die Kinderwelt des Jüdischen Museums Berlin, Foto: Yves Sucksdorff

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