11. Nov 2020
Der Corona Stufenplan geht in die zweite Woche, von der Einordnung in grün, gelb, orange und rot ist alles dabei. Insgesamt steigen die Fallzahlen. Und der Erregungszustand einiger Eltern erreicht hoch aggressive Ausmaße. Maskengegner drangsalieren Schulleitungen.
Corona, wie ist die Lage? Wer dieser Tage interessiert in die Runde schaut, erlebt beispielsweise ein vergleichsweise entspanntes Schulamt in Treptow-Köpenick. Hier starteten am Montag die meisten Schulen mit der Stufe Grün in die Woche. Der Unterschied zur nächst höheren Stufe Gelb, mit der alle Schulen nach den Herbstferien gestartet sind, ist: In Personalräumen ist das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung keine Pflicht, sondern eine Empfehlung. Und in den Oberstufen der Allgemeinbildenden Schulen und in den Berufsschulen müssen Schüler keine Alltagsmaske tragen.
Treptow-Köpenick gehört zu den Bezirken mit dem geringsten Infektionsgeschehen und einer 7-Tage-Inzidenz von 105,6 (Stand 6. November). Hier gibt es sowohl Schulen, die der grünen Stufe als auch der gelben Stufe zugeordnet wurden, unabhängig von ihrer Lage im Bezirk. Insgesamt ist nach Aussage von Schulstadträtin Cornelia Flader die Lage in den Schulen angespannt, sie werde jedoch beherrscht, weil eine Kontaktverfolgung durch das Gesundheitsamt noch möglich sei.
Ganz anders ist die Situation im Nachbarbezirk Neukölln. Der Inzidenzwert steht bei 348, das ist der höchste Berliner Wert. Das Amt zählt aktuell (am 6.11.) 113 positiv getestete Schüler und 46 positiv getestete Mitarbeiter aus dem Schulpersonal in 43 allgemeinbilden-den Schulen, heißt es in einer Mitteilung. Ca. 1.652 Schülerinnen und Schüler befinden sich zudem in Quarantäne. Insgesamt 21 Schulen wurden in die Stufe Orange des Corona-Stufenplans eingestuft. Die restlichen Schulen stehen auf Gelb.
Kreuzberg ist der dritte und letzte Bezirk, der proaktiv in wöchentlichen Statusupdates die Öffentlichkeit informiert, alle anderen machen das nicht. „Allgemein bewegt sich das Infektionsgeschehen an den Schulen nach wie vor auf eher geringem Niveau“, berichtet Schulstadtrat Andy Hehmke . „Im Vergleich zur Vorwoche gab es lediglich eine Veränderung: an der Carl-von-Ossietzky-Gemeinschaftsschule wurde nun auch die Primarstufe Orange eingestuft. Hintergrund ist das erhöhte Infektionsgeschehen an der Schule.“
Inoffiziell informiert Schulstadtrat Gordon Lemm auf
seiner Facebook-Seite über die Corona-Situation in Marzahn-Hellersdorf.
Alle Schulen werden demnach weiter auf der Stufe gelb belassen. Diese
Einordnung galt nach den Herbstferien mit Einführung des
Corona-Stufenplans standardmäßig für alle Berliner Schulen.
„Es
lagen auch keine Anträge von Schulen vor, höher oder heruntergestuft zu
werden“, so Lemm. Die 20 gemeldeten positiven Fälle von Schülern seien
Einzelfälle (keine Cluster). 8 Lehrer seien ebenfalls positiv getestet
worden. „Maximal waren 3 gemeldete Fälle an einer Schule. Auf Wunsch der
Schulen und der Schulaufsicht verzichte ich hier auf die Nennung der
Schulen. Ich sehe das eher kritisch und bin hier eher für Transparenz.
Ich hoffe aber, dass alle Schulen zukünftig auch entsprechend
informieren.“
Einzelne Schulen nicht zu nennen, das ist auch die Linie der Senatsbildungsverwaltung. Sie informiert hier allgemein über die aktuelle Lage www.berlin.de/sen/bjf/coronavirus
Protest gegen die Coronapolitik des Senates an den Schulen kommt vor allem aus der Lehrerschaft. Deren Gewerkschaft berichtet von zunehmenden „Hilferufen“ aus den Schulen. „An keinem anderen Ort kommen aktuell so viele Menschen in geschlossenen Räumen ohne Abstand und in den meisten Fällen ohne Masken zusammen. Die Beschäftigten in den Schulen haben den Eindruck, dass Infektionen an den Schulen billigend in Kauf genommen werden“, sagt der GEW-Landesvorsitzende Tom Erdmann. Seine Forderung: die zeitweise Umsetzung des Alternativszenarios mit Halbierung der Lerngruppen und festen Zuordnungen der Pädagogen zu den Lerngruppen.
Von Hilferufen aus den Schulen kann Landeselternvertreter Norman Heise dagegen nicht berichten. Ratsuchende, Beschwerdeführer, Protestierende – Fehlanzeige. „Diese Eltern wenden sich derzeit eher an die Stadträte, die Bildungsverwaltung oder an die Gesundheitsämter“, so Heise.
Dort eingehende Schreiben bilden die Diskussion ab, die wohl in vielen Familien derzeit geführt wird. Wie soll es gelingen, mit dem empfohlenen Lüftungskonzept (alle 20 Minuten einige Minuten Fenster öffnen), die Räume – und damit auch die anwesenden Menschen - nicht auskühlen zu lassen? Warum werden innerhalb eines Klassenverbandes nach Kontakten 1. Und 2. Grades unterschieden? Warum wird angesichts der hohen Infektionszahlen überhaupt noch im Präsenzmodell unterrichtet? Warum sind Klassen nicht längst geteilt? Der Vorwurf lautet: der Senat wird seiner Fürsorgepflicht gegenüber Schülern, Lehrern und deren Familien nicht gerecht. Es sind im Allgemeinen Briefe und Mails, deren Verfasser höflich bitten, argumentieren und mahnen.
Anders gehen die Menschen vor, die sich generell gegen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Schule wenden. Nach Einschätzung der Adressaten handelt es sich dabei um Kettenbriefe, da unterschiedliche Absender teilweise wortgleiche Passagen verwenden. Tatsächlich gibt es eine Internet-Plattform , die Beratung und Musterbriefe rund um das Thema Mund-Nasen-Bedeckung in der Schule anbietet. Die Gruppe aus Anwälten steht der Initiative „Querdenken“ nahe. „Argumentationshilfen“ bieten auch die Gruppierungen „Schulen stehen auf“ und „Eltern stehen auf “, die ebenfalls diesem Netzwerk zugerechnet werden können.
In den Briefen werden beispielsweise Alltagsmasken in den Rang einer „persönlichen Schutzausrüstung“ erhoben. Die juristische Drohgebärde geht dann wie folgt:
„Gemäß §2 PSA-BV und Art. 4 Abs. 1 Unterabsatz 2 lit. a) Richtlinie 89/656/EWG unbeschadet der Pflichten nach den §§ 3, 4 und 5 des Arbeitsschutzgesetzes muss die Schulleitung persönliche Schutzausrüstungen auswählen und den Schülern bereitstellen, die Schutz gegenüber der zu verhütenden Gefährdung bieten, ohne selbst eine größere Gefährdung mit sich zu bringen. Diese Risiken bestehen namentlich in CO2-Rückatmung durch erhöhtem Totraumvolumen und in der Herausbildung von Pilzen und Bakterienkolonien im Maskeninneren. Schon allein die gesetzlich vorgeschriebene Tragezeitbegrenzung (DGUV Regel 112-190, Abs. 3.2.2.) negiert eine grundlegende gesundheitliche Unbedenklichkeit des Tragens einer MNB.“ Gefordert werden unter anderem „qualifizierte Aufsichtspersonen mit nachgewiesener Prüfung“.
An die Schulleitung gerichtet schreibt der Absender: „Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie sich einer zivil- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit wegen Körperverletzung aussetzen, wenn Sie die Maskenpflicht durchsetzen, ohne gegen die hier beschriebenen Risiken angemessene und gesetzlich vorgesehene Vorsorge getroffen zu haben. Diese Verantwortlichkeit trifft Sie als Amtsträgerin persönlich. Indem ich Sie auf die vorstehenden Gefährdungslagen und Regularien aufmerksam gemacht habe, handeln Sie mindestens mit bedingtem Vorsatz, wenn Sie die geltenden Vorgaben ignorieren.“
Wiederum andere Eltern sehen die
Psyche ihres Kindes in Gefahr. Die Mund-Nasen-Bedeckung habe „das
Potential, über entstehende Aggression starke psychovegetative
Stressreaktionen zu bahnen“.
Es folgen die für die Schreiben
typischen Buzzwords: fehlender Nachweis einer Schutzwirkung,
Gesundheitsschädigung („wissenschaftlich erwiesenermaßen
gesundheitsschädigend“), Gefahrenquellen oder Haftung („zivil- und
strafrechtlich persönlich“).
Die Eltern kündigen rechtliche Schritte an, sollte das Kind nicht vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit werden.
Ein
anderes Elternteil begründet die Schulabstinenz seines Kindes mit der
Furcht vor Gefahren, die ihrer Ansicht nach vom Tragen einer
Alltagsmaske ausgehen könnten: eine höhere CO2-Rückatmung, dadurch
Sauerstoffmangel und eine irreversible Schädigung des Gehirns. Zudem
gebe es keine Garantie auf geschultes Personal, welches im Notfall Erste
Hilfe leisten oder eine Reanimation durchführen könnte. Wer trägt „die
vollumfängliche private Haftung? Nennen Sie bitte Vornamen
Familiennamen, Stellung!“
Um die „Kindeswohlgefährdung durch die
Schule“ zu vermeiden, kündigen Eltern an, ihr Kind vom Unterricht
fernzuhalten und „auf Grundlage des von der Schule bereitgestellten
Unterrichtsmaterials“ zu Hause zu unterrichten.
Wir haben bei der Senatsbildungsverwaltung angefragt, wie in Fällen von eigenmächtiger Befreiung von der Präsenzpflicht verfahren wird. Wir ergänzen die Antwort, wenn sie uns vorliegt.
Jeder hat das Recht, sich gegen empfundenes Unrecht zu wehren. Die Aussagen von Maskenverweigerern beruhen jedoch zu einem guten Teil auf Falschaussagen. Gesichertes Wissen zum Thema Mund-Nasen-Schutz und Corona gibt es zum Beispiel beim ARD-Wissenschaftsmagazin Quarks:
https://www.quarks.de/gesundheit/was-man-ueber-schutzmasken-in-zeiten-von-corona-wissen-muss/
Bildungspolitik - was Parteien, Organisationen, wissenschaftliche Einrichtungen zum Thema Schule und frühkindliche Bildung sagen.
Schule - Infos, Ideen, Akteure.
Darf das so sein? Warum geht das nicht? Wie ist das geregelt? Unsere Kolumnisten klären Schulrechtsfragen: Schulrechtsanwalt Andreas Jakubietz stellt Fallbeispiele aus seiner beruflichen Praxis vor. Die langjährigen Elternvertreter Constantin Saß und Ruby Mattig-Krone beantworten Elternfragen.
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