05. Okt 2025
Vom „Kalten“ Krieg zum „Heißen“ Krieg: In Kooperation mit dem Computerspielemuseum zeigt das Alliierten Museum Spiele aus den 1950er Jahren bis heute.
Das Alliiertenmuseum zeigt in einer kleinen fulminanten Schau anhand von Brettspielen, Konsolen und Shootern, wie Spiele eine Gesellschaft prägen und umgekehrt. In einer „Zeitstraße“ bewegen sich die Besucher zwischen Wohnräumen eines Zeitabschnitts, jeweils gegenüber finden sich Tafeln und Bilder zur geschichtlichen Einordnung.
Man kann sich Geschichte also aneignen, indem man Platz nimmt in einem Wohnzimmer mit Nierentisch, einer WG-Küche der 70er oder einem Jugendzimmer der 90er. In jedem Raum – authentisch gestaltet und mit sorgfältig ausgewählten Details versehen - können Spiele der jeweiligen Zeit angesehen und ausprobiert werden.
Die Ausstellung schlägt einen Bogen von einem Geschicklichkeitsspiel aus den 1940er Jahren, bei dem Metallkugeln über den Schattenriss der japanischen Inseln in die Vertiefungen „Hiroshima“ und „Nagasaki“ gelenkt werden müssen – bis zur Gegenwart, die etliche Computerspiele bereithält, in denen Atombomben gezündet werden.
Dazwischen lässt sich in der WG-Küche vortrefflich eine friedensbewegte Diskussion führen. Umrahmt von Sponti-Sprüchen und unter einem Original DGB-Plakat „Kauft kein Kriegsspielzeug“ lässt sich das Welteroberungsspiel „Risiko“ ausprobieren. Je nach persönlicher Geschichte kann man auch zu „Monopoly“ oder „Strategie und Taktik“ greifen. Letzteres war das klassenkämpferische Gegenstück zum kapitalistisch geprägten Original: die höchsten Mieten werden in der Karl-Max-Allee gezahlt, und die Ereignisfelder heißen „Tagesordnung“ und „Kandidat“.
Die Verkaufszahlen für „Kosims“, also Brettspiele, die militärische Konflikte simulieren, stieg von 62.000 im Jahr 1964 bis auf 2,2 Millionen im Jahr 1980 an, wie die Historikerin Maren Röger im Begleitheft zur Ausstellung verdeutlicht. „Der militärisch-industrielle Komplex und die expandierende Unterhaltungs- und Massenkultur durchdrangen sich dabei wechselseitig“.
Es macht Sinn, für einen Besuch der Zeitstraße die Familie mitzubringen: Enkel und Großeltern finden hier eine große Gemeinsamkeit: Spiel ist nicht das Leben. Und Spielerisches hilft, den Ernst des Lebens zu verstehen. Jede Generation ist jeweils unterschiedlich mit ihren jeweiligen Bedrohungen umgegangen, „Wohnzimmer-Hopping“ könnte zum Verständnis der Generationen beitragen.
Alle zusammen treffen sich im letzten Abschnitt der Ausstellung. Der Raum ist im Gegensatz zu den anderen abgetrennt, man betritt ihn durch einen Vorhang. Er symbolisiert in kaltem Licht das neue Jahrtausend.
Seit dem Jahr 2000 ist die Rechnerleistung um das Tausendfache gestiegen, der digitale Spielemarkt wuchs in derselben Zeit um das Doppelte. Der Gaming-Computer in der Ecke dürfte zu einem der beliebtesten Dinge zum Ausprobieren für Teenager werden.
Am 11. September 2001 steuerten Terroristen zwei Flugzeuge in New Yorker Hochhäuser. Aus den Trümmern der Zwillingstürme des World Trade Centers in Manhattan ist in der Ausstellung ein Aufzugmotor zu sehen, hergestellt von der deutschen Firma Thyssen Krupp. Gegenüber diesem Exponat aus dem „Ende der Geschichte“ findet sich eine Weltkarte.
61 Bewaffnete Konflikte, so Karen Röger, gibt es derzeit weltweit. Eine spielerische Frage an den anwesenden Homo Sapiens, Meister der Verdrängung, könnte lauten: Wer kann fünf der derzeit tobenden Kriege benennen?
Die Spiele der Zukunft werden sich kaum in simplen Quizzes erschöpfen. Angesichts von KI und Virtual Reality werden Spiel und Realität zunehmend verwischen. Werden die Spieler sich gegenseitig vernichten oder gemeinsam Probleme lösen? Können Spiele Zukunftskompetenzen vermitteln oder Werte verhandeln? Muss man bestimmte Spiele verbieten? Werden Spieler die Kontrolle über den Spielverlauf verlieren? Was bewirken die realistischen Spielerfahrungen bei den Spielern?
Und gilt die wechselseitige Beziehung zwischen Rüstungsindustrie und Spieleherstellern noch? Wenn ja, wie viel Rheinmetall steckt in zukünftigen Games? Spannende Fragen, aufgeworfen von einer kleinen feinen Ausstellung.
vom 2. Oktober 2025 bis zum 30. Juni 2026
im Alliierten Museum, Clayallee 135, 14195 Berlin Zehlendorf