Bundeswehr an Schulen: Eltern fordern Mitsprache

18. Mai 2010

Daniela von Treuenfels
Bundeswehr an Schulen: Eltern fordern Mitsprache

Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus wollen Kooperationen der Bundeswehr mit den Schulen verbindlich regeln. "Die Bundeswehr", heißt es zur Begründung in einem Antrag an das Parlament, "vermittelt kein ausgewogenes und vollständiges Bild zu Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik an Schulen."

Hier sei Pluralität gefragt. Um eine eventuelle einseitige Werbung für die Bundeswehr in Schulen vorzubeugen, sei es notwendig, "Schulbesuche und Veranstaltungen der Bundeswehr in Schulen durch ein Rundschreiben verbindlich zu regeln", fordern die Grünen. Um Schulleitungen, den Lehrern, Schülern sowie den Eltern Rechtssicherheit zu geben, soll der Senat Regeln für die "Zusammenarbeit der Schulen mit der Bundeswehr und wehrdienstkritischen Verbänden, sowie mit Vertreter/-innen des Bundesamtes für den Zivildienst, bzw. Träger von Zivildiensteinrichtungen, der Freiwilligendienste und von Organisationen der Friedens- und Konfliktforschung" aufstellen. Unter anderem soll auch die Einbeziehung von Jugendoffizieren und anderen Vertretern der Bundeswehr in den Schulunterricht und weitere Veranstaltungen der Schulen, wie zum Beispiel die Berufsorientierung, geklärt werden. Ebenso sollen die Rahmenbedingungen für eventuelle Besuche von Schulklassen in Einrichtungen der Bundeswehr festgelegt werden. Diese müssten nach dem Willen der Grünen "in jedem Fall durch Auseinandersetzung mit Friedens- und Konfliktforschung verbunden werden."

Hintergrund des Antrags ist die öffentliche Debatte der vergangenen Monate. Vor allem Schüler und Eltern hatten sich kritisch zur Präsenz der Bundeswehr an Schulen geäußert. Nachdem im November vergangenen Jahres Schüler am Steglitzer Paulsen-Gymnasium gegen eine Veranstaltung der Bundeswehr an der Schule demonstriert hatten, gab es in den folgenden Wochen und Monaten Kritik vor allem von Eltern im Bezirk. Anlass war ein Antrag der CDU-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung, der mit Unterstützung der Grünen verabschiedet wurde: Das Bezirksamt solle den Schulen empfehlen, "Informationsveranstaltungen der Bundeswehr mit Jugendoffizieren in ihr regelmäßiges Schulangebot aufzunehmen". Das Ziel: die Rekrutierung von "verantwortungsvollem, demokratisch unterwiesenem und bürgerlich geprägtem Führungspersonal" aus Steglitz-Zehlendorfer Schulen, "da unser Bezirk in der Güte der Schulausbildung führend in Berlin ist."

Als die Bundeswehr Ende März abermals Präsenz im Südwesten zeigte, protestierten nicht nur Schüler. Kritik kam auch von den Eltern. Auf ihre Initiative hin hatte der Bezirksschulbeirat, ein bezirkliches Gremium aus Lehrer-, Schüler- und Elternvertretern, die Schulen in einem Beschluss aufgefordert, die Empfehlung der BVV zu ignorieren: "Gerade weil die Grenze zu werbenden und rekrutierenden Aktivitäten im Einzelfall nicht immer leicht zu ziehen und kontrollieren ist, muss von weiter gehenden prinzipiellen Empfehlungen oder gar Regelungen Abstand genommen werden und die Zusammenarbeit den einzelnen Schulen überlassen bleiben".

Kritik kommt auch vom Bezirkselternausschuss Friedrichshain-Kreuzberg: " In Zeiten von Jugendarbeitslosigkeit und Führungskräftemangel bei der Bundeswehr stellt sich diese in ihren Werbeschriften als „normaler (Ausbildungs-) Betrieb“ für bewaffnete Entwicklungshelfer dar und wirbt mit der Möglichkeit, bei ihr Freiheit und Abenteuer zu genießen, sagen die Eltern in ihrer Einladung zur Gründung einer "Initiative Militärfreie Schule". Die Eltern befürchten, dass die Risiken und oft traumatischen Nebenwirkungen des „Soldatenberufs“ in den Werbeveranstaltungen zu kurz kommen – wenn militärkritische Stimmen fehlen. "Weil für unsere Kinder Anwesenheitspflicht besteht, fordern wir eine Garantie, dass zu den Veranstaltungen der Bundeswehr friedenspolitische oder antimilitaristische Organisationen im Sinne der Ausgewogenheit hinzugezogen werden."

Dass in fünf Ländern bereits Kooperationsverträge mit der Bundeswehr geschlossen wurden, sehen die Kreuzberger Eltern kritisch. " Wir verstehen das frühzeitige Werben der Bundeswehr als Werben um Akzeptanz für eine Militarisierung von Politik und Gesellschaft." Mit kostenlosen Lehrerfortbildungen, dem Erstellen von Unterrichtsmaterialien und Videospielen versuche die Bundeswehr, die Einstellung der Jugendlichen zu beeinflussen. "Leider mit erschreckendem Erfolg: Das Durchschnittsalter der Soldaten der bundesdeutschen „Armee im Einsatz“ liegt bei 19 Jahren."

Bundeswehr in der Schule - und Eltern wissen von nichts

Der Bezirkselternausschuss Friedrichshain-Kreuzberg fordert, dass Schulen zu Beginn des jeweiligen Schulhalbjahres die Eltern über geplante Veranstaltungen mit dem Militär informieren. "Diese Information steht uns Eltern zu und muss uns garantiert werden", so BEA-Vertreter Bert Schilden. Doch selbst dieses Minimum an Kommunikation fällt offenbar schwer. Am 31. Januar fragten die Elternvertreter bei der zuständigen Schulaufsicht an, ob in Friedrichshain-Kreuzberg Bezirk derartige Veranstaltungen in der Vergangenheit durchgeführt wurden - die Antwort steht bis heute aus.

Beredtes Schweigen auch in anderen Bezirken. Wer wissen möchte, an welchen Schulen die Bundeswehr wann präsent ist, muss schon sehr zufällig über eine Anfrage der Fraktion der Linken im Deutschen Bundestag stolpern. Dort sind fünf Termine genannt, an denen Bundeswehrangehörige an Berliner Schulen Veranstaltungen durchführen bzw. an ihnen teilnehmen. Auch die GEV-Vorsitzende des Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasiums, Susanne Fehse, erfuhr so, dass das Militär am 27. Mai zu Gast in der Schule ihrer Kinder ist. "Die Schulleiterin bestätigte mir diesen Termin erst auf Nachfrage", sagt Susanne Fehse, die auch Mitglied der Schulkonferenz ist. An diesem Tag soll parallel zum mündlichen Abitur eine Veranstaltung zur Berufsorientierung stattfinden. Die 12. Jahrgangsstufe bekommt ein Bewerbungstraining. Die 11. Klassen werden - ausschließlich - von der Bundeswehr über deren Karrieremöglichkeiten informiert. "Die Eltern wurden darüber bis heute nicht informiert", so die Elternsprecherin.

Verwundert ist auch Uwe Netzel, Gesamtelternsprecher der Zehlendorfer Alfred-Wegener-Realschule. Von einer geplanten Veranstaltung mit dem Militär am 28. Juni an seiner Schule wusste er bislang nichts. "Das ist auch nicht in der Schulkonferenz besprochen worden, ich finde das nicht in Ordnung", so Netzel. An der Wegener-Schule soll für die 9. Klassen eine Informationsveranstaltung stattfinden. Thema: "Die Bundeswehr als Arbeitgeber". Kommunikation mit den Eltern findet auch hier nicht statt. "Die Elternvertreter der Klassen wissen davon nichts."

Weiterführende Links

Beantwortung einer Anfrage der Linken im Bundestag
dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/015/1701511.pdf

Wie der Hauptmann für die Sicherheit wirbt
www.zeit.de/gesellschaft/schule/2010-05/bundeswehr-schule?page=all

Bundeswehr im Kampf ums Klassenzimmer
www.tagesspiegel.de/berlin/Pro-Contra-Bundeswehr-Schulen;art270,3068593

Bundeswehr an Schulen - Gutachten fordert Neutralität
www.taz.de/1/berlin/artikel/1/bundeswehr-braucht-gegner/

Bildung

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Darf das so sein? Warum geht das nicht? Wie ist das geregelt? Unsere Kolumnisten klären Schulrechtsfragen: Schulrechtsanwalt Andreas Jakubietz stellt Fallbeispiele aus seiner beruflichen Praxis vor. Die langjährigen Elternvertreter Constantin Saß und Ruby Mattig-Krone beantworten Elternfragen.

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