Schulsozialarbeiter sind Einzelkämpfer – auch in Berlin

31. Okt 2025

von Benita Schauer
Schulsozialarbeiter sind Einzelkämpfer – auch in Berlin

Bundesweit denken 43 Prozent der Schulsozialarbeiter über einen Jobwechsel nach – vor allem wegen der damit verbundenen hohen emotionalen Belastung.

Das zeigt eine neue Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW Saar), für die bundesweit 5.070 Sozialarbeiter befragt wurden. Sie repräsentieren knapp 28% ihrer Berufsgruppe, so schätzen die beiden Verfasser Sebastian Rahn und Lars Bieringer. Genaue Zahlen, wie viele Schulsozialarbeiter in Deutschland tätig sind, gibt es bisher nicht. Die Studie liefert jedoch erstmals umfassende Strukturdaten und Selbsteinschätzungen dieser Berufsgruppe für fast das gesamte Bundesgebiet. „Fast“, denn in Berlin war – wie auch in Hamburg und Rheinland-Pfalz – der Rücklauf zu gering, um aussagekräftige Erkenntnisse zu liefern. Die Forscher der HTW Saar präsentieren ihre Studie gemeinsam mit dem Recherchenetzwerk Correctiv.Lokal. In einem Pressegespräch mit dem Netzwerk kommentierten die Wissenschaftler die Ergebnisse ihrer Befragung:

In den zurückliegenden anderthalb Jahrzehnten habe sich Sozialarbeit an Schulen „etabliert und professionalisiert“ (Lars Bieringer). Dabei habe die Entwicklung hin zur Ganztagsbetreuung in der Schule eine wichtige Rolle gespielt. Anders als früher sei nun auch in Gymnasien der Wille vorhanden, mit dem Ziel der Prävention entsprechende Stellen zu schaffen. Während anfangs die wenigen Sozialarbeiter nur in akuten Problemsituationen hätten eingreifen können, seien heute, wo es sie an immer mehr Schulen gebe, präventive Ansätze gleichermaßen von Bedeutung. Im Schulalltag zählen dazu vor allem, das wird aus der Studie ersichtlich, Maßnahmen zur Gemeinschafts- und Demokratieförderung oder zur Gewaltprävention. „Es ist wichtig, dass junge Menschen an der Schule einen Ansprechpartner haben, an den sie sich niedrigschwellig und anlasslos wenden können“, sagt Sebastian Rahn, der an der HTW Saar eine Nachwuchsprofessur für Sozialisation, Erziehung und Bildung über die Lebensalter innehat.

Wer Einzelkämpfer ist, erfährt nur geringe Wertschätzung

Als größte Herausforderung neben der emotionalen Belastung nennen die Befragten der Studie deutschlandweit ihren Status als Einzelkämpfer (46,7%). Oft gibt es, so wurde im Gespräch deutlich, pro Schule nur eine Person für die Sozialarbeit, die ihre eigene Rolle und die Form der Zusammenarbeit mit den Kollegen vor Ort erst definieren muss. Rund 44% der Befragten empfinden eine mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit. Ein Viertel von ihnen hat keine Möglichkeit, bei Bedarf selbst Supervision in Anspruch zu nehmen.

Obwohl der Begriff der Schulsozialarbeit mittlerweile auf Bundesebene etabliert sei, unterschieden sich, so die Experten der HTW Saar, die Zuständigkeiten und Förderstrukturen in den Bundesländern stark voneinander. Damit hingen die großen Unterschiede zusammen, die es hinsichtlich der Rahmenbedingungen für Sozialarbeiter an Schulen, sowohl zwischen den einzelnen Bundesländern als auch innerhalb dieser selbst, gebe. Ob beispielsweise die Fachkräfte beim Land oder bei einem Träger der freien Jugendhilfe angestellt seien, wirke sich auch auf ihre Integration in Arbeitsstrukturen vor Ort aus. Wo Arbeitsverhältnisse befristet sind, ist es schwerer, solche Strukturen aufzubauen: In Sachsen-Anhalt haben nach den Ergebnissen der Studie nur 37,6% aller Schulsozialarbeiter einen unbefristeten Vertrag, während im benachbarten Thüringen 82,6% unbefristet angestellt sind, was etwa dem Bundesdurchschnitt entspricht.

GEW Berlin: Studie bestätigt langjährige Beobachtungen

Laut den beiden Wissenschaftlern hätten die Berliner Landesbehörden dem Forschungsprojekt mit Zurückhaltung gegenübergestanden, so dass eine systematische Verteilung der Fragebögen über bestehende Landesstrukturen nicht möglich gewesen sei. Zwar hätten einige Fachkräfte an der Befragung teilgenommen, aber nicht in einer Zahl, die eine wissenschaftliche Auswertung erlaubt hätte. Die Gewerkschaft GEW Berlin zeigt sich dennoch erfreut über die Studie, die bestätige, was man hier seit langem beobachte:„Auch in Berlin ist die Schulsozialarbeit vielerorts nicht ausreichend abgesichert. Unterschiedliche Trägerstrukturen, befristete Verträge und teils unklare Zuständigkeiten führen dazu, dass die Fachkräfte oft in prekären oder unklaren Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Das schwächt die Kontinuität der Arbeit und die Verlässlichkeit des Angebots für Kinder, Jugendliche und Schulen.“

Besonders unbefriedigend ist die Situation in Steglitz-Zehlendorf. Während in anderen Bezirken die Finanzierung der Schulsozialarbeit aus Landesmitteln erfolgt, muss im Südwesten der Bezirk selbst einspringen. Der Streit um dieses Geld wird jährlich auf’s Neue geführt.

Ihr belastendes Arbeitsumfeld teilen Schulsozialarbeiter mit anderen „sorgenden“ Berufsgruppen. Auch unter Pflegekräften und Kita-Erzieherinnen sind es laut neueren Statistiken um die 40%, die ihre Arbeitsbedingungen als so schwierig empfinden, dass sie über einen Berufswechsel nachdenken. Mit der vorliegenden Studie steht jetzt aussagekräftiges Material zur Verfügung, das Aufsichtsbehörden, Trägern und Schulen bundesweite Vergleiche und Einordnung erleichtern mag.


Der Beitrag erschien zuerst in den Stadtrand-Nachrichten und ist entstanden im Rahmen einer Kooperation mit CORRECTIV.Lokal, einem Netzwerk für Lokaljournalismus, das datengetriebene und investigative Recherchen gemeinsam mit Lokalredaktionen umsetzt. CORRECTIV.Lokal ist Teil des gemeinnützigen Recherchezentrums CORRECTIV, das sich durch Spenden finanziert. Mehr unter correctiv.org.

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