Corona und Präsenzpflicht: Müssen Schüler am Unterricht teilnehmen?

17. Jun 2021

von Andreas Jakubietz
Corona und Präsenzpflicht: Müssen Schüler am Unterricht teilnehmen?

Lange war der Präsenzunterricht an allgemeinbildenden Schulen ausgesetzt. Nun folgen die ersten Schritte zurück zum Normalbetrieb. Müssen jetzt alle wieder in die Schule?

Viele Eltern stellen sich aktuell die Frage, ob die Teilnahme am Präsenzunterricht angesichts der anhaltenden Corona-Pandemie verpflichtend ist.

Kurz gesagt: Ja. Aus juristischer Sicht müssen diese Punkte beachtet werden:

Recht auf körperliche Unversehrtheit

Grundsätzlich gilt: Die Teilnahme am Präsenzunterricht ist verpflichtend. Dieser Pflicht lässt sich nicht ohne Weiteres das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit entgegenhalten. Zwar folgt aus diesem Grundrecht nicht nur ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern vermittelt darüber hinaus auch die Pflicht des Staates, sich schützend vor Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit zu stellen.

Recht auf Bildung/ staatlicher Bildungsauftrag

Auf der anderen Seite sind die entgegenstehenden Belange und Rechte der Betroffenen zu berücksichtigen, insbesondere das Recht der Schülerinnen und Schüler auf Bildung sowie der verfassungsrechtlich verbürgte staatliche Bildungsauftrag . Den Unterricht an allgemeinbildenden Schulen hält das Berliner Verwaltungsgericht nur dann für effektiv, wenn er unter Berücksichtigung des Lehrplans als Präsenzunterricht erfolgt.

Recht auf Teilhabe

Bildungsforscher und Praktiker aus dem Bildungsbereich hätten, so das Verwaltungsgericht Berlin, anlässlich der Corona/Covid-19-Pandemie nachvollziehbar dargelegt, dass ein Übergang vom Präsenzunterricht zu Formen des schulisch angeleiteten Lernens zu Hause vor allem Schülerinnen und Schüler aus sozial benachteiligten Lebensverhältnissen schwer treffen kann und geeignet ist, ohnehin bestehende Ungleichheiten aufgrund der sozialen Herkunft zu vertiefen.

Corona als allgemeines Lebensrisiko

Zudem fordert das Grundgesetz keinen vollkommenen Schutz vor jeglicher Gesundheitsgefahr. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gelte dies im Zusammenhang mit der Corona/Covid-19-Pandemie umso mehr, als ein „gewisses Infektionsrisiko mit dem neuartigen Corona-Virus derzeit für die Gesamtbevölkerung zum allgemeinen Risiko gehöre“. Die Teilnahme am Präsenzunterricht ist danach verpflichtend, solange durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, dass dem Infektionsschutz Rechnung getragen und die betroffenen Schülerinnen und Schüler schulbesuchsfähig sind.

Befreiung aufgrund bestehender Grunderkrankung

Zur Prüfung der Besuchsfähigkeit bedarf es eines qualifizierten Attests, an dessen Inhalt hohe Anforderungen zu stellen sind. Aus dem Attest muss sich regelmäßig nachvollziehbar ergeben, welche konkret zu benennenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei Berücksichtigung der allgemeinen Hygienevorschriften aufgrund des Schulbesuchs zu erwarten sind und woraus diese im Einzelnen resultierten, etwa aufgrund einer bestehenden Grunderkrankung der betroffenen Schülerinnen und Schüler oder eines Haushaltsangehörigen. Darüber hinaus muss im Regelfall erkennbar werden, auf welcher Grundlage der attestierende Arzt zu seiner Einschätzung gelangt ist.

Differenzierung nach Risikogruppen

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Kinder nicht zu einer von Corona/Covid-19 besonders betroffenen Risikogruppe gehören. Nach den bisher vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen erkranken Kinder seltener an Corona/Covid-19 und sie haben im Falle einer Erkrankung zumeist einen atypischen bzw. milden Verlauf).

Fazit

Ja, Schüler sind verpflichtet am Präsenzunterricht teilzunehmen. Ausnahmen kann es nur für einzelne Kinder und Familien geben, die zu gesundheitlichen Risikogruppen gehören.


Andreas Jakubietz ist Rechtsanwalt in Berlin. Er ist als Fachanwalt für Verwaltungsrecht im Bereich Bildungsrecht, insbesondere auf dem Gebiet des Schulrechts und des Hochschulzulassungsrechts tätig. Der Jurist ist Vater einer Tochter und lebt in Zehlendorf.

Seine Beiträge sind als allgemeine Information zu verstehen, die eine Rechtsberatung nicht ersetzen. Im Einzelfall empfiehlt es sich, einen Rechtsanwalt für Schulrecht zu konsultieren.

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