08. Feb 2023
Bildung und Teilhabe: Aus Unwissenheit nehmen viele Familien staatliche Unterstützungsleistungen für ihre Kinder nicht in Anspruch. Eine Beratungsstelle klärt auf – in mehreren Sprachen.
Klassenfahrten und Ausflüge, Nachhilfeunterricht oder Beiträge für Musik- und Sportkurse: Für viele gesellschaftliche Aktivitäten gibt es staatliche Unterstützung für bedürftige Kinder und Jugendliche bis 25 Jahre. Einige Kosten werden komplett übernommen, andere anteilig finanziert. Gefördert werden Familien, die Sozialleistungen erhalten (Wohngeld, ALG II / Hartz IV, Sozialgeld, Sozialhilfe, Kinderzuschlag, Leistungen nach dem Asylbewerber Leistungsgesetz).
„Bildungs- und Teilhabepaket“, kurz „BuT“, heißt der Topf, von dem seit 2011 junge Menschen profitieren können. Das Problem ist: die Gelder bleiben zum Großteil ungenutzt liegen. „Viele Familien wissen nicht, dass sie BuT-Leistungen beantragen können oder wie sie an die Gelder kommen“, erklärt Olivia Kaut, Leiterin der BuT-Beratungsstelle. Das Teilhabepaket werde deutschlandweit von weniger als 30 Prozent der Anspruchsberechtigten genutzt, in einigen Bundesländern seien es gerade mal acht Prozent. „Das Problem ist: das Paket ist extrem kompliziert und bürokratisch, die einzelnen Leistungen kommen aus verschiedenen Töpfen und müssen an ganz unterschiedlichen Stellen beantragt werden.“
Bundesweit gab es bisher rund 1,5 Millionen antragsberechtigte Kinder und Jugendliche, nun ist mit der Wohngeldreform, die zu Jahresbeginn in Kraft getreten ist, der Kreis der möglichen Zuwendungsempfänger noch einmal gewachsen. Durch das “Wohngeld Plus” sollen deutlich mehr Geringverdiener finanziell entlastet werden. Von zuvor rund 600.000 ist Anzahl der Berechtigten auf etwa zwei Millionen gestiegen. Das bedeutet auch, dass mehr Familien von zusätzlichen Hilfen für Kinder und Jugendliche profitieren könnten. Denn: Wer Wohngeld bezieht, hat gleichzeitig Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket.
So rechnet es die BuT-Beratungsstelle vor – und präsentiert
gleichzeitig eine Jahresstatistik, die deutlich macht: Ihr Engagement für Menschen
in Armut ist zwar notwendig, im Ergebnis aber bisher nicht mehr als der Tropfen auf
dem heißen Stein. „Das Team der BuT-Beratung hat im Jahr 2022 fast 3.000
Gespräche geführt. Davon 544 Gespräche auf Arabisch, 386 auf Russisch
und 286 auf Türkisch. Mehr als 3.300 Kinder, hauptsächlich aus Berlin,
konnten so erreicht werden.“
„Wir bekämpfen hier lediglich die Symptome eines nicht gut funktionierenden Systems“, gibt der Initiator der Beratungsstelle, Julius Bertram, zu. „Tatsächlich muss sich grundlegend etwas ändern.” Die seit einigen Jahren diskutierte Kindergrundsicherung könne ein Anfang sein. Auf lange Sicht brauche es jedoch „Vereinbarkeit von Beruf und Elternschaft und eine Verbesserung der Lebenslage der Eltern“.
Bertram setzt
sich schon seit einigen Jahren für Bildungsgerechtigkeit ein. Mit Sarah Seeliger
zusammen gründete er das gemeinnützige Unternehmen Librileo, das sich für Sprach- und Leseförderung
stark macht. Mit der Initiative gerechtebildung.de
machten die beiden auf die mangelhafte Nutzung der Teilhabegelder für
bedürftige Familien aufmerksam. Die Beratungsstelle war letztendlich eine
Konsequenz aus dem Unvermögen des Staates, armen Kindern und Jugendlichen
gezielte finanzielle Hilfen zukommen zu lassen. Ein Beispiel: 2019 standen rund 3 Millionen Euro für mehrtägige Klassenfahrten zu Verfügung, ausgezahlt wurden nur 303.000, also ein Zehntel.
Seit Januar 2022 steht nun ein Team bereit, Familien durch die Katakomben der deutschen Bürokratie zu führen. Telefonisch, per Mail oder über ein
Kontaktformular auf der Webseite kann man sich mit seinen Fragen bei der
Beratungsstelle melden: Für welchen Bereich und wie bekomme ich die Gelder, wie
kann ich sie beantragen? Auch die Beratung erfolgt in den fünf Sprachen türkisch, arabisch, englisch, russisch und deutsch. Auf der mehrsprachigen Website but-beratung.de können Familien Infos erhalten und
sich in ein Kontaktformular eintragen. Sie werden dann in ihrer gewünschten
Sprache angerufen.
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