25. Jan 2023
Der Sportausschuss hat sich heute in einer öffentlichen Sachverständigenanhörung dem Thema „Schwimmen und Schwimmbäder in Deutschland: Status quo, Herausforderungen und Perspektiven“ gewidmet.
Christian Kuhn, stellvertretender Vorsitzender der Internationalen Vereinigung für Sport- und Freizeiteinrichtungen, IAKS Deutschland, stellte in seinem Eingangsstatement fest, erst die Corona-, dann die Energiekrise hätten Deutschlands Bäder „arg gebeutelt“. In der Pandemie seien sie als erste Einrichtungen im Lockdown geschlossen und als letzte wieder geöffnet worden, damals hätten sie auf einer Stufe mit Bordellen gestanden. In der Energiekrise dann seien sie mit Keksfabriken gleichgestellt worden, das habe ihrem Ansehen geschadet und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr mitgenommen. Strukturell stünden die Bäder jetzt vor drei großen Problemen: einem riesigen Sanierungsstau, der Notwendigkeit, die Bäder CO2-frei zu bekommen, und fehlendem Personal.
Auf den hohen Investitionsbedarf ging auch Daniela Schneckenburger, Leiterin des Dezernats Bildung, Integration, Kultur, Sport und Gleichstellung bei der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vertieft ein. Die Kommunen hätten ein hohes Interesse daran, Schwimmen nicht nur als Freizeitsport attraktiv zu halten, sondern würden auch stark auf die Schwimmfähigkeit von Kindern abstellen - eine im Zweifelsfall lebensrettende Fähigkeit. Aber für jedermann erreichbare Wasserflächen zu erhalten, sei sehr teuer: Insgesamt gebe es laut KfW-Kommunalpanel 2022 einen Investitionsstau in Höhe von 8,5 Milliarden Euro für Sportstätten (ohne Schulsport- und Vereinssportstätten) - 50 Prozent davon entfielen auf die Bäder, die ohnehin gebeutelt seien und es jetzt aber auch noch mit deutlich gestiegenen Baupreisen und -Zinsen, einem spürbaren Fachkräftemangel und weiteren Anforderungen zum Beispiel in Sachen Barrierefreiheit und Inklusion zu tun hätten.
Der Deutsche Schwimm-Verband, vertreten durch die Vizepräsidenten Wolfgang Rupieper und Kai Morgenroth, konstatierte extreme Probleme und Rieseneinbußen durch die Pandemie und die Energiekrise. Das habe alle Bereiche betroffen, das Schwimmenlernen genauso wie den Reha- und den Wettbewerbssport. Nachdem man 2022 den Betrieb in eingeschränkter Form wieder habe aufnehmen können - mit halbierten Teilnehmerzahlen, weil viele Bäder zunächst weiter geschlossen blieben, es an Übungsleitern fehlte und Temperatursenkungen zum Zwecke der Energieeinsparung manches unmöglich gemacht haben, liefen jetzt viele Förderprojekte und Maßnahmen aus, die im vergangenen Jahr mit Millionenzuschüssen vom Bund aufs Gleis gesetzt worden waren. So könne nicht aufgeholt werden, was in den vergangenen Jahren verloren gegangen sei. Die längerfristigen gesundheitlichen Folgen der Ausfälle seien derzeit noch gar nicht absehbar.
Ute Vogt, Präsidentin der Deutschen
Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), zeigte sich vor allem besorgt über die
Situation in der Schwimmausbildung in Deutschland. Bereits 2017 seien knapp 60
Prozent der Zehnjährigen keine sicheren Schwimmerinnen und Schwimmer und zehn
Prozent aller Grundschulkinder Nichtschwimmerinnen und Nichtschwimmer gewesen.
Mit Ausbruch der Corona-Pandemie habe eine zweijährige Zeit begonnen, in der
die Schwimmausbildung bundesweit nur sehr eingeschränkt und teilweise gar nicht
durchgeführt werden konnte. In der Folge hat sich die Zahl der
Nichtschwimmerinnen und Nichtschwimmer im Grundschulalter verdoppelt. Kinder
aus armen Verhältnissen sind besonders betroffen. 37 Prozent der Kinder haben
gar kein Schwimmabzeichen. Zudem fehle es jetzt an qualifiziertem Personal für
die Ausbildung in den Schulen, aber auch in den Vereinen. Das sei ein Problem
auch bei Rettungsschwimmerinnen und -schwimmern - da fehle ein ganzer Jahrgang,
rund 45.000.
aus "Heute im Bundestag" vom 25.1.2023
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