Nach der Einführung der Ehe für alle ist eine Modernisierung des Abstammungsrechts wünschenswert. Diese Meinung vertraten die meisten der neun geladenen Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss.
Gegenstand der Fragen der Abgeordneten in der vom Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner (AfD) geleiteten zweieinhalbstündigen Sitzung war der von Bündnis 90/Die Grünen eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der abstammungsrechtlichen Regelungen an das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts, wobei sich die Ausführungen der Experten auf das Modell "Mutter - Mutter - Kind" konzentrierten. Der Forderung nach einer abstammungsrechtlichen Gleichstellung von Frauen in lesbischen Beziehungen stand dabei die Kritik an einer Abweichung von Prinzipien des geltenden Abstammungsrechts gegenüber.
Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass die sogenannte gesetzliche Fiktion, wonach der Ehemann der Mutter automatisch der zweite rechtliche Elternteil des Kindes ist, auf die Ehefrau der Mutter erweitert wird. Die Fragen der Abgeordneten drehten sich vor allem um mögliche Auswirkungen der vorgesehenen Änderungen auf die Rolle der biologischen Väter, die Unterschiede zwischen Abstammungs- und Adoptionsrecht und Weiterentwicklungen dieser Regelungen sowie um die Möglichkeiten, eine Elternschaft anzufechten.
Wie Familienrechtlerin Nina Dethloff von der Universität Bonn erläuterte, soll die Gleichstellung von Kindern, die in eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft hineingeboren werden, mit Kindern in heterosexuellen Partnerschaften erreicht werden, indem zum einen die Ehefrau der Mutter des Kindes unmittelbar mit der Geburt ebenfalls Mutter wird, und zum anderen eine Anerkennung der Mutterschaft ermöglicht wird. Beide Vorschläge seien uneingeschränkt zu begrüßen. Sie seien dringend notwendig, um den erheblichen Defiziten des geltenden Rechts zu begegnen. Die Co-Mutterstellung der Partnerin müsse in gleicher Weise wie die Vaterschaft unmittelbar mit der Geburt rechtlich abgesichert werden.
Auch aus der Sicht von Stephanie Gerlach von Treffpunkt, einer Münchener Fach- und Beratungsstelle für Regenbogenfamilien, trägt der Gesetzentwurf zur Absicherung des Kindes und der Familie bei. Die bislang von Frauenpaaren angestrebte Möglichkeit, die Mit-Mutter per Stiefkindadoptionsverfahren zum zweiten rechtlichen Elternteil des gemeinsamen Kindes werden zu lassen, sei nachteilig sowohl für das Kind als auch für die ganze Familie, erklärte Gerlach. Der Entwurf sehe ausgehend von der Gleichbehandlung verschiedengeschlechtlicher Paaren für verheiratete Frauenpaare vor, dass Kinder, die in diese Ehen hineingeboren werden, von Beginn an zwei Elternteile haben. Auch die rechtliche Vaterschaft sei an keinerlei biologische Voraussetzung geknüpft.
Für grundsätzlich begrüßenswert hielt Katharina Lugani vom Deutschen Juristinnenbund den Gesetzentwurf. Zwar wäre eine umfassendere Reform des Abstammungsrechts wünschenswert, der Entwurf decke zumindest den aktuellen Minimalbedarf an einer Neuregelung ab, erklärte sie. Er sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, bedürfe jedoch im Detail der Überarbeitung.
Für den Verein Spenderkinder begrüßte Anne Meier-Credner das Anliegen der Verbesserung des Schutzes von Spenderkindern, deren Mutter mit einer Frau verheiratet ist. Diese seien rechtlich schlechter abgesichert als Spenderkinder, die in eine verschiedengeschlechtliche Ehe hineingeboren werden, erklärte sie. Für sinnvoller als den im Entwurf enthaltenen Vorschlag halte der Verein eine Verbesserung der Rechtsstellung der Kinder durch die Möglichkeit zur präkonzeptionellen Anerkennung durch die Co-Mutter, die auch andere Sachverständigen ins Spiel brachten. Zu hinterfragen sei auch die im Entwurf vorgesehene automatische Zuordnung der Ehefrau der Mutter.
Wolfgang Schwackenberg, Vorsitzender des Ausschusses Familienrecht beim Deutschen Anwaltverein, vertrat die Auffassung, dass im Sinne einer Gleichbehandlung von Kindern gleichgeschlechtlicher und heterosexueller Paare die Genetik beziehungsweise das bisherige Abstammungsrecht nicht mehr als Ausgangspunkt tauge. Angesichts des Korrekturbedarfs sei die Zielsetzung des Entwurfs daher sehr zu begrüßen. Im Unterschied dazu gebe es beim Adoptionsrecht von vornherein eine andere Ausgangssituation.
Markus Buschbaum, im Familienrecht tätiger Notar aus Köln, hält den Befund, wonach Regenbogenfamilien weiterhin diskriminiert werden, dem Grunde nach für zutreffend. Allerdings werde allein die Forderung nach einer abstammungsrechtlichen Gleichstellung von Frauen in lesbischen Beziehungen der Komplexität rechtlicher und sozialer Elternschaft in Regenbogenkonstellationen keineswegs gerecht, denn es seien auch die Belange der biologischen Väter zu berücksichtigen.
Aus der Sicht von Christopher Schmidt, Familienrechtler an der Hochschule Esslingen, vermengt der Entwurf die Regelungsbereiche Abstammungs- und Adoptionsrecht, denn in seinem Zentrum stehe die Begründung einer von der biologischen Situation abweichenden Elternschaft außerhalb des Adoptionsrechts. Eine Notwendigkeit für die vorgeschlagenen Änderungen im Abstammungsrecht bestehe nicht, erklärte Schmidt, der für eine Änderung im Adoptionsrecht plädierte.
Gegen den Entwurf sprach sich auch Markus Witt vom Bundesverein Väteraufbruch für Kinder aus. Ein Kind könne biologisch nur von einem Mann und einer Frau abstammen - die genetische Abstammung müsse daher Grundsatz im Abstammungsrecht sein. Der Verein wünsche sich hier eine weniger ideologisch geführte Debatte. Zudem seien Kinder Träger eigener Rechte und nicht das Zuordnungsobjekt von Bedürfnissen Erwachsener.
Rolf Jox von der Katholischen Hochschule NRW begrüßte das Ziel, die Ungleichbehandlung zu beseitigen, verwies aber auf die Nichtvereinbarkeit der vorgeschlagenen Änderungen mit geltenden Prinzipien des Abstammungsrechts und sprach sich daher für die Beibehaltung des bisherigen Systems aus. Es stelle sich jedoch die Frage, ob nicht mit Blick auf die zahlreichen neuen Formen des Zusammenlebens sowie den Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin ein völlig neues System von Rechten und Pflichten von Personen gegenüber Kindern geschaffen werden sollte.
Auch das Bundesjustizministerium arbeitet an einer Reform des Abstammungsrechts und legte in der vergangenen Woche einen Diskussionsteilentwurf vor, auf den in der Anhörung verwiesen wurde. Laut Ministerium kann das bestehende Abstammungsrecht die heutzutage gelebten Familienkonstellationen nicht mehr ausreichend abbilden, das geltende Recht solle daher unter Beibehaltung bewährter Elemente moderat fortentwickelt werden.
Quelle: Heute im Bundestag (hib) vom 18.3.2019
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