31. Mär 2022
Mit der Bündelung von familienpolitischen Leistungen plant die Regierung eine Neuausrichtung der Familienförderung. Arbeitsmarktpolitische Effekte eingerechnet, könnte das mehr als 30 Milliarden Euro pro Jahr kosten.
Für die Kindergrundsicherung soll ein Teil der 150 familienpolitischen Leistungen gebündelt werden, die heute noch in unterschiedlichen Ministerien beheimatet sind. Sechs Häuser arbeiten nun gemeinsam an der Umsetzung: die Bundesministerien der Finanzen, der Justiz sowie die Ministerien für Arbeit und Soziales, für Bildung und Forschung und für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.
Chefin der Runde ist Bundesfamilienministerin: „Wir wollen mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche schaffen und konzentrieren uns auf die, die am meisten Unterstützung brauchen“, so Anne Spiegel. Mehr Kinder sollen aus der offenen und verdeckten Armut geholt werden. Je sicherer die finanzielle Situation von Familien sei, desto sorgenfreier könnten Kinder aufwachsen, so die Ministerin. Die Kindergrundsicherung solle möglichst ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihre Chancen grundlegend verbessern.
In der Kindergrundsicherung sollen das Kindergeld für alle Familien, Sozialleistungen für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets sowie der Kinderzuschlag für Familien mit kleinen Einkommen in einer Leistung gebündelt werden. Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendliche gleich hoch ist, und einem gestaffelten Zusatzbetrag, der vom Einkommen der Eltern abhängt. Ein Konzept soll bis Ende 2023 erarbeitet werden. Auf dem Weg dorthin sind Beteiligungen und Austausch mit Ländern, Verbänden, Vereinen und Stiftungen geplant.
Zahlen nennt das Familienministerium nicht. Dafür kann die Bertelsmann Stiftung bereits mit einer Hausnummer aufwarten. Die Stiftung hat das Modell eines Teilhabegeldes entwickelt und vom ifo Institut durchrechnen lassen. Den Berechnungen des ifo zufolge wären, je nach Ausgestaltung, Ausgaben von 10 bis 24 Milliarden Euro pro Jahr erforderlich. Da das Teilhabegeld das verfügbare Einkommen vieler Familien erhöhen würde, sei davon auszugehen, dass einige Elternteile ihre Erwerbstätigkeit reduzieren oder ganz aufgeben und damit mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Wie die Simulationen des ifo zeigen, würde das Arbeitsangebot in Deutschland um 400.000 bis 630.000 Vollzeitstellen abnehmen. Bezieht man diesen Rückgang der Erwerbstätigkeit mit ein, würde das Teilhabegeld mit jährlichen Kosten von 20 bis 37 Milliarden Euro einhergehen.
Eine Kindergrundsicherung würde insbesondere Familien mit geringem Einkommen, Familien mit mehreren Kindern sowie Alleinerziehenden zugutekommen. Die allgemeine Armutsrisikoquote könnte um bis zu 3,4 Prozentpunkte sowie die Armutsrisikoquote von Kindern um bis zu 11 Prozentpunkte gesenkt werden. Übertragen auf die derzeitige Situation in der Bundesrepublik, entspräche das einer Zahl von über einer Million Kinder, die nicht länger von Armut gefährdet wären.
Eine Bündelung der Leistungen sowie eine einfache Berechnung und automatische Auszahlung wäre eine deutliche Vereinfachung. Familien mit arbeitslosen Eltern oder Aufstockern müssten jedoch „selbstverständlich für das Arbeitslosengeld II weiterhin Anträge und Erklärungspflichten notwendig bleiben“, betonen die Autoren der Studie. Das „Heraustrennen“ der kinderbezogenen Leistungen könne dies etwas vereinfachen, aber das grundsätzliche Prinzip der Bedürftigkeitsprüfung und Vermögensoffenlegung bleibe Familien mit SGB II-Leistungsbezug der Eltern erhalten. Dies gelte für das Teilhabegeld, aber auch für andere Kindergrundsicherungskonzepte.
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