Das Mädchen Wadjda

Das Mädchen Wadjda

Dass es Filme aus Saudi-Arabien bisher nicht in unsere Kinos geschafft haben, liegt daran, dass dort nicht nur die öffentliche Vorführung von Filmen verboten ist, sondern auch das Drehen selbst. Eine Frau, die Regisseurin Haifaa Al-Mansour, hat es doch geschafft...

von Sabine Genz

...und dort einen wundervollen Kinderfilm über ein Mädchen gedreht, das unerschrocken für seinen Traum Fahrrad zu fahren, kämpft.

Die 11-jährige Wadjda ist nicht gerade das, was man eine Musterschülerin nennt. Wenn sie nach einem Wettrennen mit ihrem Spielkameraden Abdullah in der Schule ankommt, ist ihr Schleier verrutscht. Auch ihre farbigen Chucks sind der Direktorin ein Dorn im Auge und die Suren kann Wadjda immer noch nicht auswendig und fehlerfrei. Nun hat sie sich auch noch in den Kopf gesetzt, ein Fahrrad zu kaufen. Dann könnte Abdullah sie nicht immer abhängen. Doch das ist ein schwieriges Unterfangen: Erstens sind Fahrrad fahrende Mädchen in Saudi-Arabien nicht vorgesehen, und zweitens kostet das Rad ihrer Träume 800 Riad, sehr viel mehr, als Wadjda gespart hat. Von ihrer Mutter kann sie keine Unterstützung erwarten, schließlich glaubt diese auch, dass Mädchen, die Rad fahren, keine Kinder mehr bekommen können. Noch dazu hat sie gerade genug eigene Sorgen. Ihr Mann schaut nur noch selten bei seiner Familie vorbei. Seit klar ist, dass Wadjdas Mutter ihm keinen Sohn gebären wird, schaut er sich nach einer anderen Frau um. Außerdem hat die Lehrerin sich mit ihrem Fahrer verkracht und nun große Schwierigkeiten, ihren weit entfernten Arbeitsplatz zu erreichen, da Frauen das Autofahren untersagt ist.

Aber das pfiffige Mädchen lässt sich einiges einfallen, um Geld zu verdienen. Wadjda schmuggelt Liebesbriefe und kassiert bei ihr und bei ihm, verkauft selbst gemachte (verbotene) Armbänder in den Farben beliebter Fußballmannschaften auf dem Schulhof und nimmt, optimistisch wie sie ist, bei Abdullah schon mal Radfahr-Unterricht. Als alle Einnahmen nicht reichen, erscheint Wadjda der Tartil-Wettbewerb, ein hochdotierter Rezitationswettbewerb, als letzte Hoffnung. Obwohl sie mit Religion nicht viel am Hut hat, schreibt sie sich in der Koran-Lesegruppe ihrer Schule ein. Doch manchmal kommt alles ganz anders als geplant.

Regisseurin Haifaa Al-Mansour schafft mit „Das Mädchen Wadjda“ ein leichtfüßiges und faszinierendes Porträt einer Gesellschaft, in der Frauen von Gleichberechtigung nur träumen können und sich mühsam und trickreich jede kleine Freiheit erkämpfen müssen. Die Kontraste der beiden Welten, privat und öffentlich, zwischen denen sich Wadjda und ihre Mutter bewegen, bringen mitteleuropäische Zuschauer zum Staunen. In der Wohnung zwischen Hightech-Küche und Wohnzimmer mit Playstation und Flachbildfernseher, in der die Frauen Jeans und modische T-Shirts tragen, erscheint uns alles vertraut. Dann verschwinden die zuvor sorgsam geglätteten und frisierten Haare unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Niqab, der nur die Augenpartie freilässt und die Frauen werden eins mit einer von Kopf bis Fuß schwarz gewandeten Masse auf der Straße.

Es braucht Mädchen wie die unkonforme Wadjda, die sich ihren eigenen Kopf bewahren, zeigt uns Haifaa Al-Mansour mit ihrem Film. Die Freiheiten, die sie sich erkämpft, werden sie für ihr Leben prägen und sie hoffentlich zu einer Frau machen, die die saudi-arabische Gesellschaft langfristig verändern kann.

Das Mädchen Wadjda
Saudi-Arabien, Deutschland 2012, Regie: Haifaa Al-Mansour
Kinderfilm, Familienfilm, Spielfilm, Drama, 98 Minuten
FSK ab 0, empfohlen ab 10 Jahre, FBW-Prädikat: besonders wertvoll
Kinostart: 5. September 2013

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