Jugendbuch: Das Mädchen in unserem Badezimmer

11. Nov 2022

von Natascha
Jugendbuch: Das Mädchen in unserem Badezimmer

Ein packender Jugendkrimi, der nachhallt - durch eine zufällige Begegnung begibt sich Amra auf eine dramatische Suche nach der obdachlosen Coco und lernt viel über das Leben von Menschen auf der Straße. Ab 12 Jahre.

Amra joggt mit ihrer Mutter durch den Preußenpark, aber nach zwei Runden braucht sie eine Pause. Es ist heiß und Amras Ferse ist von den neuen Schuhen aufgescheuert. Ihre Mutter ist außer Sichtweite und Amra steuert auf die Bank unter der Eiche im Schatten zu. Doch dort sitzt schon ein Mädchen.

Sie ist etwas älter als Amra, vielleicht 17, und sieht abgerissen aus. Amra setzt sich lieber auf eine andere Bank. Sie findet das Mädchen komisch und eklig. Sie trägt schmuddelige Kleidung und riecht unangenehm. Aber Amras Mutter spricht das Mädchen an und lädt sie zum Duschen ein, und am nächsten Tag steht das Mädchen tatsächlich bei Amras Familie in der Mommsenstraße vor der Tür.

Amra ist entsetzt. Dieses Mädchen blockiert tatsächlich stundenlang das Badezimmer der Familie. Amra sorgt sich, dass das Mädchen etwas klaut. Als es endlich weg ist, fehlt nichts – aber das Mädchen hat etwas vergessen: ein Tagebuch. Und Amra beginnt zu darin zu lesen.

Coco heißt das Mädchen; Amra versteht, dass Coco viel durchgemacht hat und warum sie auf der Straße lebt. Sie möchte ihr das Tagebuch zurückgeben, und um Coco zu finden muss sie weiterlesen. Abwechselnd lesen wir nun Amras Erzählung über die Suche, und in Cocos Tagebuch lesen wir über Cocos Leben.

Zusammen mit ihrer Freundin Louise begibt sich Amra auf Cocos Spuren. Durch ihre Recherchen bekommen die beiden Mädchen aus den behüteten Elternhäusern immer mehr Einblicke in das Leben von obdachlosen Jugendlichen. Sie besuchen die Bahnhofsmission im Bahnhof Zoo, interviewen Streetworker am Alexanderplatz und erfahren immer mehr über das Leben auf der Straße.

Es kommt Amra und Louise zupass, dass sie für die Schülerzeitung arbeiten. So können sie recherchieren und um Interviews bitten. Sie treffen auch Menschen, die Coco kannten. In den Gesprächen tun sich Ungereimtheiten auf und die Geschichte nimmt eine dramatische Wendung. Coco scheint in großer Gefahr zu sein, und die Mädchen müssen sich beeilen sie zu finden.

Ein sehr gut komponierter und spannend erzählter Jugendkrimi mit glaubwürdigen Protagonistinnen, der uns einen ehrlichen Einblick in das Leben von Jugendlichen auf der Straße ermöglicht und unsere Sicht verändern kann. Neben der guten Rahmenhandlung gibt es auch eine Prise erstes Verliebtsein. Berliner Leserinnen und Leser werden sich freuen, viele Handlungsorte wie das Eisstadion Wilmersdorf, das Lochow und andere wiederzuerkennen.

Wir erfahren viel über das Leben auf der Straße. Amra und Louise sind kurz davor, eine Nacht auf der Straße zu verbringen. An der Stelle wird klar, wie gefährlich es ist, auf der Straße zu leben. Im Anhang des Buches finden wir die ausführlichen Interviews mit einer Kommissarin der Vermisstenstelle des LKA, einem Streetworker, der sich um obdachlose Jugendliche auf dem Alexanderplatz kümmert, und weitere Informationen und Fakten.

Die Gestaltung des Buches ist besonders und liebevoll. Die Illustrationen sind schwarz-weiß mit klaren Linien. Das Cover und das Vorsatzpapier sind farbig. Amra liebt Buntstifte und sortiert sie nach Farben. Das wird im Buch nur kurz erwähnt, aber auf dem hinteren Vorsatzpapier ist die ganze Farbpalette abgebildet.

Das Mädchen in unserem Badezimmer

Henrik Hitzbleck + Kerstin Wacker (Text und Ill.)
Wacker und Freunde Verlag
978-3-00-071776-5
14,80 €
Ab 12 J.

Unsere Buchtipps sind Empfehlungen der Buchhandlung Schwericke in Lichterfelde. Der Laden liegt direkt am S-Bahnhof Botanischer Garten. Natascha, im Team verantwortlich für den Bereich Kinder- und Jugendbuch, stellt an dieser Stelle regelmäßig exklusiv für berlin-familie.de eine Neuerscheinung oder einen gut abgelagerten „Mustread“ vor.

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